Medizin
Erstmals embryonale Stammzellen beim Menschen geklont
Donnerstag, 16. Mai 2013
Portland – US-Forscher haben offenbar technische Schwierigkeiten bei der Klonierung embryonaler Stammzellen beim Menschen überwunden. Die in Cell (2013; 10.1016/j.cell.2013.05.006) vorgestellten Experimente sollen die Behandlung von Krankheiten erleichtern, sie dürften aber auf heftige ethische Bedenken stoßen. Aus medizinischer Sicht sind die Experimente möglicherweise bereits überholt.
Bei der Klonierung werden genetisch identische Kopien eines Lebewesens geschaffen. Die bevorzugte Technik ist der somatische Zellkerntransfer. Dabei entfernen die Forscher aus einer Eizelle das Erbgut und ersetzen es durch den Chromosomensatz einer somatischen Zelle des Organismus, der geklont werden soll.
Danach wird die Eizelle zur Zellteilung und zur Bildung eines Embryos angeregt. Dies funktioniert seit längerem bei einfachen Organismen und 1996 erzeugten schottische Forscher erstmals ein Säugetier, das Klonschaf Dolly. Bei Primaten war das Klonen lange nicht gelungen, obwohl sich weltweit eine Handvoll von Laboratorien darum bemühen und der südkoreanische Forscher Hwang Woo-Suk die Welt 2005 kurzzeitig von einem Durchbruch überzeugte, der sich dann aber als Fälschung herausstellte.
Bislang scheiterte die Klonierung von Primaten mittels somatischem Zellkerntransfer daran, dass mit der Entfernung des Zellkerns aus der Eizelle auch die Fähigkeit zur ungehemmten Zellteilung verloren geht, die Voraussetzung zur Entwicklung eines Embryos ist. Das Team um Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health & Science University in Oregon hat diese Schwierigkeit jetzt offenbar überwunden. Der Schlüssel zum Erfolg bestand darin, die Eizelle während des Zellkerntransfers so lange im Stadium der Metaphase II der Meiose zu halten, bis der Zellkerntransfer abgeschlossen war, schreiben die Forscher.
Nachdem dies (unter Verwendung eines chemischen Cocktails, zu dem übrigens auch Koffein gehörte) gelungen war, entwickelten sich die Eizellen bis zum Stadium der Blastozyste, in dem embryonale Stammzellen gewonnen werden können. Dies war vor einiger Zeit bereits bei Affen gelungen. Jetzt verliefen die Experimente auch mit menschlichen Zellen erfolgreich. Die gewonnenen embryonalen Stammzellen haben nach Auskunft der Forscher Stammzelleigenschaften und könnten sich in alle Zellen des menschlichen Körpers differenzieren. Sie könnten im Prinzip im Labor weiter vermehrt und dann für Transplantationen genutzt werden.
Mitalipov betont den therapeutischen Charakter seiner Experimente. Ein reproduktives Klonen sei nicht beabsichtigt und zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht möglich, versichert er. Ethische Bedenken können die Forscher dadurch jedoch nicht zerstreuen. Die US-amerikanische katholische Bischofskonferenz hat die Experimente sofort verurteilt.
Dass mehr als 120 menschliche Embryonen gebildet wurden, um sechs Stammzelllinien zu erzeugen, ist aus Sicht der Kleriker moralisch verwerflich, zumal zur Entnahme der Eizellen mehrere gesunde junge Frauen einem Risiko für ihre Gesundheit und Fruchtbarkeit ausgesetzt worden seien. Die kirchlichen Kritiker nehmen Mitalipov auch nicht ab, dass die Technik ausschließlich für das therapeutische Klonen geeignet sei. Früher oder später würden andere Forscher die Technik aufgreifen, um im Labor Kopien menschlicher Lebewesen zu erzeugen.
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1981
In Embryonen von Mäusen werden Stammzellen entdeckt. Sie haben das Potenzial, sich in jedes Gewebe eines Mauskörpers zu verwandeln.
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1991
Das deutsche Embryonenschutzgesetz, das unter anderem jede Embryonenforschung zu fremdnützigen Zwecken und jede verbrauchende Embryonenforschung verbietet, tritt in Kraft.
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1996
Das Schaf Dolly kommt zur Welt. Der schottische Embryologe Ian Wilmut hat den ersten künstlichen Klon eines Säugetiers geschaffen, entwickelt aus einer Euterzelle eines erwachsenen Schafs. Erst im Frühjahr 1997 wird das Experiment bekannt.
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1998
Der US-Biologe James Thomson schafft es als Erster, stabile Stammzellen aus jungen menschlichen Embryonen zu gewinnen.
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1999
Der Bonner Forscher Oliver Brüstle repariert Nerven mit Hilfe embryonaler Stammzellen von Mäusen. Im August 2000 beantragt er Fördermittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), um mit menschlichen Zellen zu forschen.
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2000
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) deutet in einem Grundsatz-Artikel "Der neue Mensch" in der Zeitung Die Woche einen Kurswechsel der Bundesregierung in Richtung gentechnik-freundlicher Politik an.
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März 2001
Die katholischen Bischöfe Deutschlands sprechen sich strikt gegen Gentests an im Reagenzglas gezeugten Embryonen, Keimbahntherapie sowie gegen das therapeutische und reproduktive Klonen und die Forschung an Embryonen aus.
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Mai 2001
Die DFG setzt sich für die Zulassung der Forschung an menschlichen Embryonen ein. Nach einem Stufenplan sollen zunächst embryonale Stammzellen aus dem Ausland importiert werden dürfen.
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Juni 2001
Bonner Forscher kündigen an, embryonale menschliche Stammzellen aus Israel importieren zu wollen. Dort werden Stammzellen aus abgetriebenen oder überzähligen Embryonen gewonnen. Wegen der heftigen Debatte verschiebt die DFG eine Entscheidung.
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Januar 2002
Der Bundestag entscheidet sich für den begrenzten Import menschlicher embryonaler Stammzellen. Das Gesetz tritt im Juli in Kraft. Die sogenannte Stichtagsregelung erlaubt die Einfuhr von Stammzelllinien, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden, wenn hochrangige Forschungsziele erreicht werden sollen.
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Dezember 2002
Das vom Gesetzgeber beauftragte Robert-Koch-Institut gibt erstmals Grünes Licht für den Import von Stammzellen. Die Bonner Mediziner Oliver Brüstle und Otmar Wiestler dürfen Zellen aus Israel importieren.
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2004
Der südkoreanische Tierarzt Hwang Woo-Suk wird weltberühmt, weil es ihm angeblich gelungen ist, einen menschlichen Embryo zu klonen und daraus Stammzellen zu gewinnen. Zum Jahreswechsel 2005/2006 wird Hwang jedoch der Fälschung überführt.
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2005
Britische Wissenschaftler um Miodrag Stojkovic und Alison Murdoch klonen erstmals einen menschlichen Embryo. Sie verwenden dazu aber das Erbgut aus einer Embryozelle und nicht - was schwieriger ist - aus einer Körperzelle eines Erwachsenen. Die Klone überleben nur wenige Tage und liefern keine Stammzellen.
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2006
Japanische Wissenschaftler entwickeln Stammzellen aus der Haut von Erwachsenen, ohne zu klonen. Indem sie in gewöhnliche Hautzellen einen Cocktail von vier Genen einbauen, versetzen sie diese in den embryonalen Zustand zurück. Ein ethisch unbedenklicher Weg zur Gewinnung maßgeschneiderter Stammzellen für Patienten tut sich auf. Allerdings mussten die Japaner Krebsgene in ihrem Cocktail verwenden – die Zellen sind für Therapien noch ungeeignet.
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Januar 2008
US-Forscher der Firma Stemagen haben nach eigenen Angaben erstmals menschliche Embryonen aus Körperzellen geklont. Die Embryonen wuchsen zu frühen Embryonen (Blastozysten) heran, aus denen sich üblicherweise Stammzellen gewinnen lassen. Allerdings gelang es nicht, Stammzellen zu gewinnen.
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April 2008
Der Bundestag weitet die Möglichkeiten embryonaler Stammzellforschung aus. Er verschiebt den gesetzlichen Stichtag beim Stammzellimport von 2002 auf Mai 2007 (siehe Stichtagsregelung 2002). Damit können auch neuere Stammzelllinien nach Deutschland importiert werden.
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2010
Stammzellen: Die US-Biotech-Firma Geron lässt einem Querschnittgelähmten solche Zellen ins Rückenmark spritzen. Das Ziel ist zunächst nur, die Sicherheit der Methode zu prüfen. Weitere Patienten folgen, doch 2011 stoppt Geron die Versuche. Als Grund werden wirtschaftliche Erwägungen angegeben.
Einer Arbeitsgruppe um Marius Wernig von der Stanford School of Medicine gelingt die effiziente in-vitro-Umwandlung von Maus-Bindegewebszellen in Neuronen.
Diese Zellen stoßen auf weniger Kritik, da aus ihnen prinzipiell keine Embryonen erzeugt werden können und damit ein Missbrauch zum reproduktiven Klonen ausgeschlossen ist. Außerdem werden keine Eizellspenden benötigt. Die Verwendung von iPS ist allerdings mit anderen Sicherheitsrisiken, etwa einer möglichen Induktion von Tumoren verbunden, so dass nicht klar ist, in welche Richtung sich die Forschung weiter entwickeln wird. © rme/aerzteblatt.de

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