Politik
Zurückhaltung nach Berichten über Klon-Erfolge
Donnerstag, 16. Mai 2013
Bonn – Berichte über erfolgreiche Klonexperimente in den USA sind in Deutschland mit Zurückhaltung aufgenommen worden. Die katholische Kirche und Unionspolitiker sprachen heute von einem „ethisch und medizinisch falschen Weg“. Der SPD-Forschungsexperte Rene Röspel betonte, die Experimente seien mit deutschem Recht unvereinbar. Dennoch sei die Bundesrepublik durch andere Forschungsansätze erfolgreich. Der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle sprach von Fortschritten für die Grundlagenforschung.
Wissenschaftler der Universität Oregon hatten gestern mitgeteilt, es sei ihnen gelungen, erstmals embryonale Stammzellen aus einem geklonten Embryo zu gewinnen. Die Forscher veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Untersuchungen in der Fachzeitschrift Cell. Der russischstämmige Stammzellforscher Shoukhrat Mitalipov und sein Team hatten mit derselben Methode, mit der vor 16 Jahren auch das Klonschaf Dolly erzeugt wurde, menschliche Embryonen geschaffen. Ein Fernziel der Wissenschaftler ist die Gewinnung menschlicher Embryonalzellen für therapeutische Zwecke und nicht die Erzeugung geklonter Menschen.
Brüstle würdigte die Experimente als Fortschritt für die Grundlagenforschung. Im Gespräch mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ zeigte er sich aber zurückhaltend. Einen „Erfolg“ wolle er die aufsehenerregenden amerikanischen Klonierungsexperimente nicht nennen. „Ganz unkritisch von einem Erfolg zu sprechen würde bedeuten, die damit verbundene ethische Problematik auszublenden“, sagte der Forscher.
„Ganz sicher wird diese Studie wieder die alte Diskussion beleben, ob und an welcher Stelle der wissenschaftlichen Machbarkeit Grenzen gesetzt werden müssen“, fügte Brüstle hinzu. Es gebe durchaus Verfahren, die durch internationale Konventionen gebannt werden sollten. Dazu zählten das reproduktive Klonen und bleibende Eingriffe in die menschliche Keimbahn
Erstmals embryonale Stammzellen beim Menschen geklont
US-Forscher haben offenbar technische Schwierigkeiten bei der Klonierung embryonaler Stammzellen beim Menschen überwunden. Die in Cell (2013; 10.1016/j.cell.2013.05.006) vorgestellten Experimente sollen die Behandlung von Krankheiten erleichtern, sie dürften aber auf heftige ethische Bedenken stoßen.
Als „äußerst problematisch“ kritisierte der Augsburger katholische Weihbischof Anton Losinger die Experimente. Das Mitglied des Deutschen Ethikrats warnte vor einer „Verzweckung des Menschen“. Es drohe ein Einstieg in das therapeutische Klonen und damit in die Vernichtung menschlicher Embryonen für medizinische Zwecke.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe sagte, es sei „ethisch unvertretbar, menschliche Embryonen durch Klonen herzustellen, um sie zur Stammzellgewinnung zu töten“. Auch die Risiken und Belastungen für die Eizellspenderinnen sowie die Bezahlung für die Eizellspende seien ethisch nicht akzeptabel. Hüppe, der auch Behindertenbeauftragter der Bundesregierung ist, warnte zudem vor vorschnellen Hoffnungen auf medizinische Heilung: „Denn es gibt keinerlei Therapie oder klinische Studie mit Klonstammzellen und so gut wie keine tierexperimentelle Grundlage.“
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Peter Liese (CDU), betonte, nach wie vor seien viele medizinische Fragen beim Klonen ungelöst. So entwickelten embryonale Stammzellen nach Transplantationen Tumoren. Außerdem würden für das therapeutische Klonen Hunderttausende weiblicher Eizellen benötigt.
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1981
In Embryonen von Mäusen werden Stammzellen entdeckt. Sie haben das Potenzial, sich in jedes Gewebe eines Mauskörpers zu verwandeln.
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1991
Das deutsche Embryonenschutzgesetz, das unter anderem jede Embryonenforschung zu fremdnützigen Zwecken und jede verbrauchende Embryonenforschung verbietet, tritt in Kraft.
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1996
Das Schaf Dolly kommt zur Welt. Der schottische Embryologe Ian Wilmut hat den ersten künstlichen Klon eines Säugetiers geschaffen, entwickelt aus einer Euterzelle eines erwachsenen Schafs. Erst im Frühjahr 1997 wird das Experiment bekannt.
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1998
Der US-Biologe James Thomson schafft es als Erster, stabile Stammzellen aus jungen menschlichen Embryonen zu gewinnen.
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1999
Der Bonner Forscher Oliver Brüstle repariert Nerven mit Hilfe embryonaler Stammzellen von Mäusen. Im August 2000 beantragt er Fördermittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), um mit menschlichen Zellen zu forschen.
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2000
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) deutet in einem Grundsatz-Artikel "Der neue Mensch" in der Zeitung Die Woche einen Kurswechsel der Bundesregierung in Richtung gentechnik-freundlicher Politik an.
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März 2001
Die katholischen Bischöfe Deutschlands sprechen sich strikt gegen Gentests an im Reagenzglas gezeugten Embryonen, Keimbahntherapie sowie gegen das therapeutische und reproduktive Klonen und die Forschung an Embryonen aus.
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Mai 2001
Die DFG setzt sich für die Zulassung der Forschung an menschlichen Embryonen ein. Nach einem Stufenplan sollen zunächst embryonale Stammzellen aus dem Ausland importiert werden dürfen.
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Juni 2001
Bonner Forscher kündigen an, embryonale menschliche Stammzellen aus Israel importieren zu wollen. Dort werden Stammzellen aus abgetriebenen oder überzähligen Embryonen gewonnen. Wegen der heftigen Debatte verschiebt die DFG eine Entscheidung.
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Januar 2002
Der Bundestag entscheidet sich für den begrenzten Import menschlicher embryonaler Stammzellen. Das Gesetz tritt im Juli in Kraft. Die sogenannte Stichtagsregelung erlaubt die Einfuhr von Stammzelllinien, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden, wenn hochrangige Forschungsziele erreicht werden sollen.
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Dezember 2002
Das vom Gesetzgeber beauftragte Robert-Koch-Institut gibt erstmals Grünes Licht für den Import von Stammzellen. Die Bonner Mediziner Oliver Brüstle und Otmar Wiestler dürfen Zellen aus Israel importieren.
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2004
Der südkoreanische Tierarzt Hwang Woo-Suk wird weltberühmt, weil es ihm angeblich gelungen ist, einen menschlichen Embryo zu klonen und daraus Stammzellen zu gewinnen. Zum Jahreswechsel 2005/2006 wird Hwang jedoch der Fälschung überführt.
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2005
Britische Wissenschaftler um Miodrag Stojkovic und Alison Murdoch klonen erstmals einen menschlichen Embryo. Sie verwenden dazu aber das Erbgut aus einer Embryozelle und nicht - was schwieriger ist - aus einer Körperzelle eines Erwachsenen. Die Klone überleben nur wenige Tage und liefern keine Stammzellen.
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2006
Japanische Wissenschaftler entwickeln Stammzellen aus der Haut von Erwachsenen, ohne zu klonen. Indem sie in gewöhnliche Hautzellen einen Cocktail von vier Genen einbauen, versetzen sie diese in den embryonalen Zustand zurück. Ein ethisch unbedenklicher Weg zur Gewinnung maßgeschneiderter Stammzellen für Patienten tut sich auf. Allerdings mussten die Japaner Krebsgene in ihrem Cocktail verwenden – die Zellen sind für Therapien noch ungeeignet.
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Januar 2008
US-Forscher der Firma Stemagen haben nach eigenen Angaben erstmals menschliche Embryonen aus Körperzellen geklont. Die Embryonen wuchsen zu frühen Embryonen (Blastozysten) heran, aus denen sich üblicherweise Stammzellen gewinnen lassen. Allerdings gelang es nicht, Stammzellen zu gewinnen.
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April 2008
Der Bundestag weitet die Möglichkeiten embryonaler Stammzellforschung aus. Er verschiebt den gesetzlichen Stichtag beim Stammzellimport von 2002 auf Mai 2007 (siehe Stichtagsregelung 2002). Damit können auch neuere Stammzelllinien nach Deutschland importiert werden.
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2010
Stammzellen: Die US-Biotech-Firma Geron lässt einem Querschnittgelähmten solche Zellen ins Rückenmark spritzen. Das Ziel ist zunächst nur, die Sicherheit der Methode zu prüfen. Weitere Patienten folgen, doch 2011 stoppt Geron die Versuche. Als Grund werden wirtschaftliche Erwägungen angegeben.
Einer Arbeitsgruppe um Marius Wernig von der Stanford School of Medicine gelingt die effiziente in-vitro-Umwandlung von Maus-Bindegewebszellen in Neuronen.

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