Medizin
Omega-3-Fettsäuren könnten Prostatakrebs fördern
Donnerstag, 11. Juli 2013
Seattle – Den Omega-3-Fettsäuren, die vor allem in fettigen Fischen vorkommen, wurden in der Vergangenheit zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Sie sollten vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vielleicht auch vor Krebs schützen. Doch epidemiologische Studien sind launisch. Eine Fall-Kontrollstudie im Journal of the National Cancer Institute (2013; doi: 10.1093/jnci/djt174) kommt jetzt – bereits zum zweiten Mal - zu dem Ergebnis, dass die mehrfach ungesättigten Fettsäuren die Bildung des Prostatakarzinoms fördern könnten.
In der aktuellen Studie hat das Team um Alan Kristal vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle die Daten des Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT) ausgewertet. Diese große randomisierte placebokontrollierte Studie hatte untersucht, ob Selen oder Vitamin E, allein oder kombiniert das Prostatakrebsrisiko senken. Das Ergebnis war negativ. Das US-National Cancer Institute (NCI) musste die Studie im Oktober 2008 sogar vorzeitig beenden, da das Risiko von Prostatakarzinomen unter Vitamin E tendenziell gestiegen war und im Selen-Arm der Studie vermehrt Diabeteserkrankungen aufgetreten waren.
In der SELECT-Studie waren umfangreiche Blutuntersuchungen vorgenommen wurden, so dass Kristal jetzt untersuchen konnte, welchen Einfluss Omega-3-Fettsäuren auf die Entwicklung des Prostatakarzinoms hat. Statt einer protektiven Wirkung fand der Epidemiologe eine Assoziation zwischen den Serumspiegeln von EPA, DPA und DHA – drei in fettigen Fischen enthaltenen und häufig in Supplementen verwendeten Omega-3-Fettsäuren – und einem erhöhten Erkrankungsrisiko. Männer im obersten Quartil (mit den höchsten Serumkonzentrationen) waren zu 43 Prozent häufiger an einem Prostatakrebs erkrankt. Das Risiko auf einen aggressiven High-Grade-Tumor war sogar um 71 Prozent erhöht.
Es ist die nicht erste Studie, die auf mögliche Risiken der unter Ernährungswissenschaftlern lange Zeit positiv bewerteten Omega-3-Fettsäuren hindeuten. Vor drei Jahren hatten die Forscher im Prostate Cancer Prevention Trial ein ähnliches Signal gefunden. Der Prostate Cancer Prevention Trial hatte seinerzeit untersucht, ob der 5-alpha-Reduktase-Inhibitor Finasterid (zugelassen zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie) vor einem Prostatakarzinom schützt (mit gemischten Ergebnissen, die Inzidenz sank, aber die Zahl der HighGrade-Tumoren nahm zu).
Kristal entdeckte in seiner nachträglichen Analyse im American Journal of Epidemiology (2011; 173: 1429-1439), dass Männer mit den höchsten DPA-Konzentrationen im Blut 2,5-fach häufiger an High-Grade-Prostatakarzinomen erkranken. Auch eine Analyse der EPIC-Studie hat laut Kristal Hinweise auf einen Anstieg des Prostatakarzinoms gefunden.
Da die früher allgemein angenommene protektive Wirkung der Fischöl-Kapseln jüngst durch eine Meta-Analyse im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2012; 308: 1024-1033) infrage gestellt wurde, rät Kristal älteren Männern, es sich zweimal zu überlegen, ob sie Fischöl-Kapseln einnehmen. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass beide Untersuchungen von Kristal als retrospektive Analysen fehleranfällig sind und deshalb nicht ausschließen, dass künftige Studien wieder zu völlig anderen Ergebnissen kommen. © rme/aerzteblatt.de

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