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Medizin

Bluttransfusionen: Studie stellt 1:1:1-Strategie infrage

Dienstag, 16. Juli 2013

dpa

Toronto – Eine von Medizinern der US-Armee bevorzugte 1:1:1-Strategie zu Massen­transfusionen bei Polytrauma-Patienten hat in einer ersten randomisierten klinischen Studie im Canadian Medical Association Journal (2013; doi: 10.1503/cmaj.121986) nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Die Sterberate war sogar tendenziell erhöht.

Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Traumapatienten bei hohen Blutver­lusten großzügig mit Vollblutkonserven versorgt. Diese Strategie wurde verlassen, als die Blutbanken begannen, die Blutspenden in Erythrozytenkonzentrate, Plasma (FFP) und Thrombozytenkonzentrate aufzutrennen. Seither war es an vielen Kliniken üblich, die Transfusionen am Bedarf auszurichten.

Zur Orientierung dienten die Laborwerte. Erythrozyten wurden beispielsweise gegeben, wenn der Hämoglobinwert auf unter 70 g/l gefallen war. FFP wurde hinzugefügt, um den INR auf unter 1,8 zu senken, die Indikation für Thrombozytenkonzentrate bestand bei einem Abfall auf unter 50.000 pro Mikroliter.

Diese Kriterien wurden am St. Michael’s Hospital in Toronto mit der 1:1:1-Strategie verglichen. Die 1:1:1-Strategie sieht vor, die Transfusionen auch ohne Kenntnis der Laborergebnisse zu beginnen und alle drei Komponenten gleichzeitig in einer fixierten Mengenkombination zu geben. Dies imitiert die frühere Vollbluttransfusionen und verfolgt den Zweck, eine Hypokoagulation zu verhindern, die die Blutverluste steigert und für die hohe Sterberate mitverantwortlich gemacht wird.

Die 1:1:1-Strategie soll dies verhindern. Sie wurde zuerst von US-Militärmediziner in den Kriegen im Irak und in Afghanistan eingesetzt. Nach der Publikation von positiven retro­spektiven Studien wurde sie seit etwa 2007 zunehmend von zivilen Notfallmedizinern übernommen.

Retrospektive Studien sind allerdings anfällig für Verzerrungen. So ist vorstellbar, dass bei knappen Ressourcen eher die Patienten mit einer günstigen Prognose mit der 1:1:1-Strategie versorgt werden. Die Studie am St. Michael’s Hospital in Toronto liefert jetzt erstmals einen prospektiven Vergleich der 1:1:1-Strategie mit der konventionellen Substitution nach Laborwerten.

Zwischen Juli 2009 und Oktober 2011 wurden insgesamt 78 Patienten auf eine der beiden Strategien gelost. Die Fallzahl ist damit zu gering für definitive Empfehlungen, doch die Ergebnisse, die Sandro Rizoli, der Leiter der dortigen traumatologischen Abteilung vorstellt, sind eine Überraschung: In der Intention-to-Treat-Analyse waren 28 Tage nach dem Trauma 13 von 40 Patienten verstorben, die nach der 1:1:1-Strategie versorgt wurden, gegenüber nur 5 von 35 Patienten im konventionellen Behandlungs­arm. Das ergibt ein relatives Risiko von 2,27, das mit einem 95-Prozent-Konfidenz­intervall von 0,98 bis 9,63 nur knapp das Signifikanzniveau verfehlt.

Dass die 1:1:1-Strategie die schlechteren Ergebnisse liefert, ist damit nicht belegt, sie war in der Studie jedoch weit davon entfernt, der konventionellen Strategie überlegen zu sein. Eindeutig war (und entsprach den Erwartungen) der höhere Bedarf von FFP und Thrombozytenkonzentraten. Außerdem wurden häufiger FFP-Präparate aufgetaut, die dann doch nicht verwendet wurden. Dies mindert nicht nur die ohnehin knappen Ressourcen der Blutbanken, wie Rizoli zu bedenken gibt. Für die Klinik komme es auch zu unnötigen Mehrkosten.

Die Studie lässt Zweifel an der derzeit von vielen Kliniken bevorzugten 1:1:1-Strategie zu. Eine endgültige Antwort kann nur eine größere randomisierte Studie liefern. Für August 2015 werden die Ergebnisse der „Pragmatic, Randomized Optimal Platelets and Plasma Ratios“ oder PROPPR-Studie erwartet. Sie vergleicht die 1:1:1-Strategie mit einer 1:1:2-Strategie, bei der die Patienten nur die halbe Anzahl von FFP erhalten und zunächst auf die Gabe von Thrombozyten verzichtet wird. © rme/aerzteblatt.de

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