Medizin
„Small Fiber“-Neuropathie mögliche Ursache der Fibromyalgie
Mittwoch, 31. Juli 2013
Würzburg/Boston – Die Fibromyalgie, der chronische „Weichteilrheumatismus“ ohne morphologisch fassbarer Pathologie, könnte – wenigstens in einem Teil der Fälle – durch eine Schädigung kleinkalibriger schmerzleitender Nervenfasern in der Haut ausgelöst werden, berichten US-Forscher in Pain (2013; doi: 10.1016/j.pain.2013.06.001). Würzburger Neurologen hatten zuvor in Brain (2013; 136: 1857-67) ebenfalls Hinweise auf eine „Small Fiber“-Neuropathie gefunden.
Die Fibromyalgie ist bislang eine rein klinische Diagnose. Den chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, die an bestimmten Stellen, den Tender Points, durch Druck auf die Haut provoziert werden können, schienen keine morphologischen Läsionen zugrunde zu liegen. Dies lässt die ausgeprägten Begleitsymptome, wie Schlafstörungen, Konzentrations- und Antriebsschwäche oder „Schwellungsgefühle“ manchmal unglaubwürdig erscheinen, und gelegentlich bestand die Neigung, die Depressionen, unter denen viele Patienten leiden, nicht als Folge, sondern als Ursache der Erkrankung zu interpretieren.
Hier kündigt sich jetzt möglicherweise ein Paradigmenwechsel an. Im März konnten Privatdozentin Nurcan Üçeyler von der Neurologischen Klinik des Würzburger Universitätsklinikums und Mitarbeiter an 25 Patienten zeigen, dass der Erkrankung möglicherweise eine Schädigung der kleinkalibrigen schmerzleitenden Nervenfasern zugrunde liegen, deren Endigungen in der Haut lokalisiert sind.
Die Fibromyalgie-Patienten zeigten in einer quantitativen sensorischen Testung (QST) eine verminderte Wahrnehmung für Kälte- und Wärmereize im Vergleich zu zehn Patienten mit Depressionen (aber ohne Schmerzsyndrom). In der Ableitung Schmerz-assoziierter evozierter Potenziale (PREP) war die Weiterleitung der Schmerzimpulse zum Gehirn verzögert und abgeschwächt.
Deutlich weniger kleine Nervenfasern
In Stanzbiopsien der Haut fanden die Forscher dann die vermutete Ursache für die Funktionsstörungen. Die Anzahl der kleinen Nervenfasern, die in der Haut an der Schmerzempfindung beteiligt sind, waren deutlich reduziert. Der Befund ist typisch für die genannte „Small Fiber“-Neuropathie, die auch bei anderen Erkrankungen, so beim Typ 2-Diabetes beobachtet wird. Die Fibromyalgie könnte demnach zu den Polyneuropathien gehören, die eine große Gruppe von Erkrankungen umfasst, die die peripheren Nervenfasern nachweislich schädigen.
Eine Bestätigung der Befunde kommt jetzt von Anne Louise Oaklander vom Massachusetts General Hospital in Boston und Mitarbeitern, die 27 Patienten mit Fibromyalgie untersucht haben, die die Kriterien des American College of Rheumatology für die Fibromyalgie erfüllen. Bei 11 Patienten war in den Hautbiopsien die Zahl der „small fibers“ so weit vermindert, dass die Kriterien für eine „Small Fiber“-Neuropathie erfüllt waren.
Die Polyneuropathie ist keine eigentliche Krankheitsursache. Ihr liegt in den meisten Fällen eine andere Erkrankung zugrunde. Oaklander ließ deshalb bei den Fibromyalgie-Patienten mit „Small Fiber“-Neuropathie Bluttests auf bekannte Polyneuropathie-Ursachen durchführen. Bei zwei Patienten wurde eine Hepatitis C-Infektion diagnostiziert, die heute mit Erfolg behandelt werden kann.
Bei acht Patienten wurden nicht näher bezeichnete Marker auf eine Störung des Immunsystems gefunden. Bei einem Patienten vermutet die Schmerzforscherin aufgrund einer positiven Familienanamnese eine genetische Ursache. © rme/aerzteblatt.de

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