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Medizin

Lebensgefährliche Hautreaktionen auf Paracetamol

Freitag, 2. August 2013

dpa

Rockville – Gefürchtete Überempfindlichkeiten auf Arzneimittel, die bereits nach einer oder wenigen Dosierungen unvermittelt und ohne Vorwarnung auftreten, sind auch nach der Einnahme von Paracetamol möglich, das heute verschreibungsfrei in jeder Apotheke erhältlich ist. Glücklicherweise dürfte es sich um seltene Einzelfälle handeln, wie aus einer Drug Safety Communication der US-Arzneibehörde FDA hervorgeht.

Beim Stevens-Johnson Syndrome (SJS) kommt es nach einem prodromalen Fieber zu schmerzhaften Ulzerationen der Schleimhäute im Mund-, Rachen- und Genitalbereich, bei der toxisch epidermalen Nekrolysis (TEN) löst sich die Haut blasenförmig vom Untergrund, bei der akuten generalisierten exanthematischen Pustulose (AGEP) ist sie von Pusteln übersät.

Alle drei sind als Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel gefürchtet. Die Patienten müssen im Krankenhaus behandelt werden, nicht wenige ringen mit dem Leben. Insgesamt sind SJS, TEN und AGEP sehr selten, wen es trifft, lässt sich aber nicht vorhersehen.

Die Beipackzettel weisen auf das Risiko hin und die Ärzte sind gehalten, ihre Patienten zu instruieren, sich bei den ersten Hinweisen an einen Arzt zu wenden. Die Reaktionen sind bei einer Vielzahl von Medikamenten möglich, auch bei nicht-steroidalen Antiphlo­gistika (NSAID) sind sie vereinzelt beschrieben worden, nicht aber bei Paracetamol, das am häufigsten verordnete Schmerzmittel, das auch bei Kindern häufig eingesetzt wird.

Zwei von drei Kasuistiken, die die FDA jetzt vorstellt, betrafen so auch Kinder. Ein sieben Jahre altes Mädchen war wegen Fiebers und einer Rachenentzündung mit drei Dosierungen Paracetamol (10 mg/kg) behandelt worden. Zwölf Stunden später kam es zu einem rötlichen Hautausschlag über dem Gesäß und an den Beinen.

Der Zustand des Mädchens verschlechterte sich und es wurde in eine Klinik eingewiesen. In einer Hautbiopsie wurde die Diagnose TEN gestellt. Sechs Monate später zweifelte ein Hautarzt an der Diagnose. Doch 30 Minuten nach einer oralen Exposition kam es bei dem Mädchen zu einer diffusen Urtikaria und einem Erythem, die eine Hospitalisierung erforderlich machten.

In einem zweiten Fall hatte ein 11 Jahre alter Junge mit einer Erkältung Paracetamol eingenommen. Danach ging es ihm schlechter und es stellten sich Abgeschlagenheit, Fieber und ein Exanthem ein, das mit rötlichen Flecken begann, dann aber rasch zu Erosionen und Hautblutungen fortschritt. Mit Labortest einschließlich einer Biopsie wurde die Diagnose einer SJS gestellt. Der Junge wurde später in einer oralen Provokation mit Paracetamol exponiert, was ein Erythema multiforme auslöste.

Der dritte von der FDA genannte Einzelfall betrifft einen 83 Jahre alten Mann, der nach einem Hüftgelenkersatz Paracetamol und andere Medikamente eingenommen hatte. Er wurde mit einem rötlichen Hautausschlag und hunderten von kleinen nicht-follikulären Pusteln in eine Klinik eingewiesen. In einer Biopsie wurde die Diagnose AGEP gestellt. Alle Medikamente wurden abgesetzt. Hauttests bestätigten später, dass Paracetamol der Verursacher war.

Paracetamol als Verursacher der Hautreaktionen
In allen drei Fällen steht Paracetamol als Verursacher der Hautreaktionen fest. Die FDA recherchierte daraufhin in dem Adverse Event Reporting System (FAERS) für den Zeitraum von 1969 bis 2012 insgesamt 91 weitere Verdachtsfälle von SJS/TEN sowie 16 Verdachtsfälle von AGEP. Es kam dabei zu 67 Hospitalisierungen und 12 Todesfällen. Bei sieben Patienten mit SJS/TEN oder AGEP hält die FDA eine Auslösung durch Parace­tamol für wahrscheinlich, weil ein Dermatologe die Diagnose bestätigt hatte (eine erneute Exposition, die den Zusammenhang bewiesen hätte, wurde aber offenbar nicht durchgeführt).

In fünf Fall-Kontrollstudien zur SJS/TEN und einer zur AGEP war ebenfalls eine Assoziation mit der Einnahme von Paracetamol aufgefallen. Die meisten dieser Studien konnten jedoch die Möglichkeit eines protopathischen Bias nicht ausschließen. Zu ihm kommt es, wenn ein anderes Medikament ein SJS/TEN auslöst und die Patienten zur Behandlung des anfänglichen Fiebers Paracetamol einnehmen. In Fall-Kontrollstudien kommt es dann auch zu einer Assoziation mit Paracetamol.


Die jetzigen Fallbeschreibungen lassen jedoch kaum Zweifel an einer Kausalität zu. Die FDA geht davon aus, dass es sich um seltene Einzelfälle handelt (auch wenn nicht auszuschließen ist, dass der Zusammenhang mit Paracetamol in anderen Fällen nicht erkannt wurde). Risikofaktoren lassen sich nicht benennen. Patienten, die nach der Einnahme von Paracetamol einen Hautausschlag bemerken, sollten keine weiteren Tabletten einnehmen und sofort einen Arzt aufsuchen, rät die FDA. © rme/aerzteblatt.de

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