Medizin
Antidepressiva begünstigen postpartale Blutungen
Mittwoch, 21. August 2013
Boston – Die Einnahme von Antidepressiva in der Spätschwangerschaft könnte das Risiko von postpartalen Blutungen erhöhen, deren Inzidenz in den USA parallel zur Verordnung von Antidepressiva gestiegen ist. Dies ergab eine Kohortenstudie im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2013; 347: f4877).
Thrombozyten enthalten Serotonin, das sie im Fall einer Gefäßverletzung freisetzen. Dies bewirkt – wie die Bezeichnung -tonin andeutet – eine Verengung des betroffenen Blutgefäßes, was vermutlich die Blutstillung unterstützt. Thrombozyten können Serotonin nicht selbst synthetisieren. Sie „saugen“ es über einen Serotonintransporter aus dem Blutserum.
Dieser Transporter gleicht dem Angriffspunkt der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) im Gehirn. Die Einnahme von SSRI kann deshalb die Blutungsneigung steigern, und in einer früheren Studie wurde so auch ein leicht erhöhtes Risiko von oberen gastrointestinalen Blutungen gefunden (BMJ 1999; 319:1106.1), ein Risiko übrigens, das in den Fachinformationen derzeit nur am Rande thematisiert wird.
Eine erhöhte Blutungsneigung besteht auch nach der Entbindung, da die Abstoßung der Plazenta mit einer Wunde im Uterus verbunden ist. In den USA hat in den letzten Jahrzehnten die Verordnung von Antidepressiva an Schwangere deutlich zugenommen. Unter den Begünstigten von Medicaid, dem Gesundheitsfürsorgeprogramm für Einkommensschwache, waren es zuletzt 15,1 Prozent.
Kristin Palmsten von der Harvard School of Public Health in Boston hat in einer Kohortenstudie untersucht, ob die Einnahme von Antidepressiva eine Erklärung für den Anstieg der postpartalen Blutungen ist, der in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurde.
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Ihre Analyse der Medicaid-Daten zeigt, dass 4 Prozent der Frauen, die zum Zeitpunkt der Entbindung unter dem Einfluss von SSRI standen, eine postpartale Blutung erlitten. In einer Vergleichsgruppe von Frauen, die trotz Stimmungslabilität oder Angststörung keine Antidepressiva eingenommen hatten, lag die Inzidenz nur bei 2,8 Prozent. Der Unterschied von exakt 1,26 Prozent würde bedeuten, dass auf 80 Frauen, die während der Entbindung mit SSRI exponiert sind, eine zusätzliche postpartale Blutung käme.
Dies setzt allerdings eine Kausalität voraus, die die Kohortenstudie nicht sicher herstellen kann. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor ergibt sich daraus, dass auch für Schwangere, die Antidepressiva aus der Gruppe der Trizyklika eingenommen hatten, ein erhöhtes Risiko gefunden wurde. Es lässt sich nicht über die Serotonin-Wirkung erklären, da Trizyklika einen anderen Wirkungsmechanismus haben.
Es könnte deshalb sein, dass die Kohortenstudie einen „Confounder“ übersehen hat. Sofern die Assoziation jedoch kausal wäre, ließe sich ein Risiko durch rechtzeitiges Absetzen der SSRI mindern. Die Wirkstoffe aus dieser Gruppe haben eine kurze Halbwertzeit. Sie werden, wie Palmsten berichtet, innerhalb weniger Tage bis zu einer Woche inaktiviert oder eliminiert. © rme/aerzteblatt.de

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