Medizin
E-Zigaretten: Schwache Unterstützer einer Tabakabstinenz
Montag, 9. September 2013
Auckland – Die umstrittenen E-Zigaretten haben als solche in zwei randomisierten klinischen Studien nur eine begrenzte Wirkung erzielt. In einer Studie in PLoS ONE (2013; 8: e66317) waren nach 52 Wochen nur noch 8,7 Prozent der Raucher abstinent. In einer Vergleichsstudie im Lancet (2013; doi: 10.1016/S0140-6736(13)61842-5) schafften 7,3 Prozent den Schritt, die E-Zigaretten erzielten hier aber keine bessere Wirkung als Nikotin-Ersatzpflaster.
Wenn das Europäische Parlament am 8. Oktober die Neufassung einer Tobacco Products Directive unverändert verabschiedet, werden die sogenannten elektronischen Zigaretten, die Nikotin verstäuben statt Tabak zu verbrennen, in Europa demnächst als Arzneimittel eingestuft. Die Hersteller müssten dann den Nutzen in klinischen Studien belegen oder die Produkte vom Markt nehmen.
Ein möglicher therapeutischer Nutzen könnte in der Unterstützung einer Tabakabstinenz bestehen. Dass hier – ähnlich wie zuvor bei den Nikotinpflastern oder anderen Ersatztherapien – keine Wunder zu erwarten sind, zeigen die ersten beiden klinischen Studien zu diesem Thema.
Für die erste Studie hatte die Gruppe um Riccardo Polosa von Centro per la Prevenzione e Cura del Tabagismo an der Universität von Catania (der ältesten Universität auf Sizilien) 300 Raucher eingeladen E-Zigaretten auszuprobieren. Die Teilnehmer mussten nicht die Absicht haben, das Rauchen aufzugeben, die E-Zigaretten wurden ihnen aber als Alternative zu den brennenden Zigaretten schmackhaft gemacht und nicht zuletzt die kostenlose Abgabe von E-Zigaretten und Kartuschen dürfte ein Anreiz gewesen sein.
Nicht alle Teilnehmer erhielten allerdings den versprochenen Nikotinersatz. Nur in einer der drei Gruppen enthielten die Kartuschen über 12 Wochen die volle Dosis von 7,5 mg/ml Nikotin, in der zweiten Gruppe wurde die Dosis nach 6 Wochen auf 5,4 mg gesenkt (ohne dass dies den Teilnehmern verraten wurde). In der dritten Gruppe enthielten die E-Zigaretten gar kein Nikotin.
Interessanterweise wurden auch die Placebos zunächst als Ersatz akzeptiert. Bei der ersten Kontrolle nach 2 Wochen sank auch in dieser Gruppe die Zahl der gerauchten Zigaretten (und damit die in der Exspirationsluft gemessene CO-Konzentration). Den Konsumenten der echten E-Zigaretten war der Verzicht hier zwar etwas leichter gefallen.
Doch später siegte auch hier die Erinnerung an die echten Glimmstängel: Nach 12 Wochen hatten 22,3 Prozent der Teilnehmer den Tabakkonsum gegenüber der Zeit vor der Studie gesenkt und 10,3 Prozent waren sogar abstinent. Nach 52 Wochen hatten 10,3 Prozent den Konsum reduziert und 8,7 Prozent waren abstinent. Polosa betrachtet dies durchaus als Erfolg, auch wenn es keinen Unterschied zwischen den drei Gruppen gab und einige auch ohne Nikotin in den E-Zigaretten abstinent wurden. Bei ihnen hatte gewissermaßen die „Idee“ der E-Zigaretten gewirkt.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen jetzt Christopher Bullen vom National Institute for Health Innovation an der Universität Auckland in Neuseeland und Mitarbeiter, die in der ASCEND-Studie die Wirkung der E-Zigarette erstmals mit einer etablierten (wenn auch in der Wirkung begrenzten) Abstinenz-unterstützenden Therapie verglichen haben, die seit Jahren zugelassenen Nikotinpflaster: Die 657 abstinenzwilligen Raucher waren in der Studie im Verhältnis 4 zu 4 zu 1 auf E-Zigaretten (mit 16 mg/ml Nikotin), Nikotinpflaster (mit 21 mg Nikotin pro Pflaster) oder E-Zigaretten ohne Nikotin randomisiert worden.
Die Ersatztherapien wurden über 3 Monate angeboten. Nach weiteren drei Monaten waren 21 von 289 der Teilnehmer (7,3 Prozent) im E-Zigaretten-Arm der Studie im CO-Atemtest abstinent. Mit Hilfe der Nikotinpflaster hatten 17 von 295 Teilnehmern (5,8 Prozent) den Sprung geschafft gegenüber nur drei von 73 Teilnehmern (4,1 Prozent) im Placebo-Arm.
Die Teilnehmerzahl der Studie war allerdings zu gering, um den Vorteil der E-Zigaretten zu beweisen. Der Unterschied war auch gegenüber Placebo nicht statistisch signifikant. Bullen ist jedoch zuversichtlich, dass die E-Zigaretten eine ähnlich gute Wirkung erzielen wie die Nikotinpflaster. Die Zahl der Teilnehmer, die den Konsum von Zigaretten senkten, war mit 57 versus 41 Prozent sogar höher. Dafür konsumierte allerdings ein Drittel der Teilnehmer weiterhin E-Zigaretten, während nur 8 Prozent weiterhin täglich ein Nikotinpflaster anwendeten.
Auch wenn beide Studien keine relevanten Komplikationen der E-Zigaretten entdeckten, dürften die beiden Studien kaum die Anforderungen für eine Zulassung als Medikament erfüllen, die die Tobacco Products Directive demnächst verlangen dürfte. Auch die European Lung Foundation, auf deren Jahrestagung in Barcelona die neuseeländische Studie jetzt vorgestellt wurde, forderte weitere Studien.
Auffällig ist, dass viele Teilnehmer neben den E-Zigaretten weiter die echten Glimmstängel konsumierten, obwohl die Hersteller der E-Zigaretten doch einen vollen Ersatzgenuss versprechen. Schließlich zeigen die insgesamt niedrigen Abstinenzraten, dass auch die E-Zigarette keinen einfachen Weg bietet, sich von der Tabaksucht zu befreien.
© rme/aerzteblatt.de

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