Politik
Oberlandesgericht: Eltern müssen vor Beschneidung mit Sohn über Eingriff sprechen
Donnerstag, 26. September 2013
Hamm – Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat die neue Gesetzesregelung zu religiös und kulturell motivierten Beschneidungen konkretisiert und einer Mutter aus Kenia einen solchen Eingriff bei ihrem sechsjährigen Sohn untersagt. In ihrem gestern veröffentlichten Beschluss vertreten die Richter die Auffassung, dass Eltern und Arzt den Eingriff vorher mit dem Kind besprechen müssen. Auch müssten sich die Eltern im Vorhinein umfassend über die Beschneidung aufklären lassen – anderenfalls sei ihre Einwilligung zu dem Eingriff unwirksam. (Az. (3 UF 133/13)
Im vorliegenden Fall wollte die 31-jährige Frau ihren Sohn entsprechend den kulturellen Riten ihres Heimatlandes Kenia beschneiden lassen. Als Grund gab die sorgeberechtigte Mutter vor allem an, der Junge solle bei Besuchen in dem afrikanischen Land als vollwertiger Mann angesehen und geachtet werden.
Der OLG-Senat verwies zwar darauf, dass die Mutter nach der neuen Beschneidungsvorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch grundsätzlich das Recht zur Einwilligung in eine Beschneidung des Jungen habe – und zwar solange das Kind in dieser Frage nicht selbst entscheiden könne. Im konkreten Fall lägen aber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einwilligung der Mutter nicht vor.
Zwar sei ein Sechsjähriger noch nicht in der Lage, über seine Beschneidung selbst zu entscheiden, heißt es weiter in dem rechtskräftigen OLG-Beschluss. Die gesetzliche Vorschrift verpflichte aber Eltern und Arzt, die Beschneidung mit dem Kind „in einer seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechenden Art“ zu besprechen und die Wünsche des Kindes bei der elterlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Dies sei aber im vorliegenden Fall nicht geschehen.
Auch sei die Einwilligung in eine Beschneidung nur dann wirksam, wenn die Eltern über den Eingriff „zuvor ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt“ worden seien. Mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall verwiesen die Richter zudem darauf, dass die Familie der Mutter ihren ständigen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, Besuche in Kenia selten möglich seien und der Junge zudem evangelisch getauft sei.
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- 7. Mai 2012: Das Kölner Landgericht löst einen Proteststurm aus, als es eine Beschneidung bei einem vierjährigen muslimischen Jungen als Körperverletzung wertet. Der Arzt war freigesprochen worden. Begründung: Er konnte nicht wissen, dass er eine Straftat begeht. Zuvor hatte noch nie ein deutsches Gericht über religiöse Beschneidung geurteilt.
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- 29. Juni 2012: Große Rechtsunsicherheit: Als Konsequenz aus dem Kölner Beschneidungsurteil wird das Jüdische Krankenhaus Berlin bis auf weiteres keine religiös begründeten Beschneidungen an Jungen mehr vornehmen.
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- 19. Juli 2012: Der Bundestag setzt sich mit einer symbolischen Grundsatz-Erklärung für die Legalisierung religiöser Beschneidungen ein. Das Parlament verabschiedet eine Resolution, in der die Abgeordneten erklärten, «dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist».
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- 23. August 2012: Der Ethikrat spricht sich nach einer kontroversen Debatte für Straffreiheit bei Beschneidungen von Jungen unter bestimmten Auflagen aus. Dazu sollten die fachgerechte Ausführung der Beschneidung und eine qualifizierte Schmerzbehandlung gehören.
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- 25. September 2012: Das Bundesjustizministerium legt einen Vorschlag zur gesetzlichen Regelung der Beschneidung vor. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, begrüßt den Gesetzentwurf.
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10. Oktober 2012: Das Bundeskabinett verabschiedet ein entsprechendes Gesetz.
12. und 14. Dezember 2012: Bundestag und Bundesrat beschließen den Gesetzentwurf.
Die neue Beschneidungsvorschrift war im vergangenen Dezember in Kraft getreten. In dem entsprechenden Paragrafen heißt es: „Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.“
Die Neuregelung soll Rechtssicherheit nach einem umstrittenen Kölner Gerichtsurteil schaffen, in dem die religiöse Beschneidung im Mai 2012 als strafbare Handlung gewertet worden war. Die Rechtsauffassung des Kölner Gerichts war von jüdischen und muslimischen Verbänden scharf kritisiert worden.
© afp/aerzteblatt.de

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