NewsÄrzteschaft„Wir brauchen einen geordneten Abbau der Überkapazitäten im stationären Bereich“
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Ärzteschaft

„Wir brauchen einen geordneten Abbau der Überkapazitäten im stationären Bereich“

Donnerstag, 26. September 2013

Berlin – Am vergangenen Wochenende fand in Berlin der Bundeskongress des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte (VLK) statt. Neben dem Patient-Arzt-Verhältnis stand im 101. Jahr seines Bestehens auch eine Neuausrichtung des Verbandes auf der Tagesordnung.

Fünf Fragen an Hans-Fred Weiser, Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte

DÄ: Thema des diesjährigen VLK-Bundeskongresses war „Patient und leitender Arzt – eine Beziehung im Wandel“. Wie kann es im Jahr 2013 gelingen, ein gutes Patient-Arzt-Verhältnis herzustellen?
Weiser: Ein gutes Patient-Arzt-Verhältnis kann im Jahr 2013, wie in der gesamten Geschichte der Medizin zuvor, nur durch eine gute Kommunikation entstehen. Denn die Kommunikation zwischen Patient und Arzt ist die Basis für eine korrekte Diagnosestellung. Das bedeutet zunächst, dass der Arzt seinem Patienten zuhören muss. Das klingt banal, ist aber im DRG-Zeit­alter leider nicht selbstverständlich. Ein gutes Patient-Arzt-Verhältnis kann darüber hinaus nur entstehen, wenn der Arzt es schafft, empathiegestützt zu kommunizieren und nicht nur technisch zu erklären.

Denn nur dann kann sich die heilsame Kraft der Empathie entfalten. Man darf nicht unterschätzen, welche erheblichen Auswirkungen auf den Heilungsprozess eine gute Kommunikation zwischen Patient und Arzt hat. Deshalb muss man Ärzten ans Herz legen, sich als Allererstes Zeit für ihre Patienten zu nehmen, auch wenn das im hektischen Klinikalltag manchmal nicht möglich scheint. Denn wer besser zuhört, stellt weniger Fehldiagnosen.

DÄ: Ein Vortrag wurde auf dem Kongress zu dem Thema „Sind Frauen die besseren Mediziner?“ gehalten. Sind sie es?
Weiser: Es gibt internationale Studien, vor allem aus der Inneren Medizin, die belegen, dass Patienten, die von Ärztinnen behandelt wurden, einen besseren Outcome haben. Das liegt aber nicht daran, dass Frauen mehr wissen oder die besseren Mediziner wären, sondern es liegt daran, dass es Frauen leichter fällt, länger zuzuhören und auf ihre Patienten einzugehen. Deshalb erzielen Sie bessere Ergebnisse. Aber die Hoffnung ist für die Männer nicht verloren. Sie müssen sich allerdings mehr anstrengen, um gut zu kommunizieren.

DÄ: Sie sagten, im Zeitalter der DRG-Abrechnung sei es nicht selbstverständlich, Zeit zum Zuhören zu haben. Was meinen Sie damit?
Weiser: Die Einführung des DRG-Systems hat einen ganz wesentlichen Anteil daran, dass die sprechende Medizin im Krankenhaus heute zu kurz kommt. Denn der Leistungs­druck im Krankenhaus ist in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Das liegt allerdings nicht allein an den DRGs, sondern daran, dass die Politik im Jahr 2003 den Wettbewerb in den stationären Bereich eingeführt hat, ohne entsprechende, dem Gesundheitswesen angemessene Rahmenbedingungen zu implementieren.

Man hat geglaubt, der Wettbewerb würde die Strukturprobleme, also auch die Über­kapazitäten im Krankenhausbereich, schon lösen, und defizitäre Krankenhäuser würden dann von selbst vom Markt verschwinden. Doch das hat nicht funktioniert. Wir brauchen also nach wie vor einen geordneten Abbau der Überkapazitäten. Das ist die einzige Lösung. Und da sind die Krankenhausträger gefordert, aber auch die Politik, und damit meine ich vornehmlich die Landes- und Kommunalpolitik. Es muss endlich die Erkenntnis einsetzen, dass nicht jeder Bürgermeister sein kleines Krankenhaus im Ort braucht. Und die Länder müssen eine sachgerechte Krankenhausplanung abliefern und keine Wolkenkuckucksheime bauen. 

DÄ: Der VLK ist heute im 101. Jahr seines Bestehens. Welche Ziele hat sich der Verband für das kommende Jahr gesetzt?
Weiser: Wir haben uns zwei große Ziele gesetzt. Zum einen wollen wir die schlechten Verträge, die in den vergangenen Jahren häufig zwischen Krankenhäusern und leitenden Ärzten geschlossen wurden, verbessern. Diese Verträge enthalten häufig Zielvereinbarungen, die zu einer Mengensteigerung führen sollen. Mit diesen Verträgen werden heute viele leitende Ärzte von der Krankenhausleitung erpresst. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Zusammen mit der Bundesärztekammer haben wir eine Koordinierungsstelle gegründet, an die Kollegen ihre Verträge zur Überprüfung schicken können. Die ersten zehn Verträge haben wir mittlerweile gesichtet. In den nächsten Monaten werden wir sie anonymisiert veröffentlichen.

Das zweite große Thema ist die Zukunftssicherung unseres Verbandes. In den vergangenen zwei Dekaden hat sich der stationäre Sektor stark verändert. Neben den Zielvereinbarungen geht es dabei zum Beispiel um die Zusammenlegung von Abteilungen im Rahmen von Zentrumsbildungen. Um diesen Entwicklungen gerecht zu werden, haben wir neun Arbeitsgruppen gegründet zu den Bereichen Vertrags- und Rechtsberatung, Kommunikation und Wissensvermittlung, Organisationsberatung, Berufsbegleitung und Weiterbildung, Konfliktmanagement, Personalvermittlung, gesundheitspolitische Interessensvertretung, Interessenvertretung für Ärztinnen im VLK und Ältestenrat. 

DÄ: An dem Wochenende des VLK-Bundeskongresses wurde auch eine neue Regierung gewählt. Was erwarten Sie von ihr?
Weiser: Wir erwarten eigentlich nur, dass umgesetzt wird, was schon im Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP aus dem Jahr 2009 vereinbart wurde, also den Ärzte- und Pflegemangel im Krankenhaus zu lösen, die Überkapazitäten in den Griff zu bekommen und die Krankenhausfinanzierung sachgerecht und für die Krankenhäuser auskömmlich und verlässlich zu stabilisieren, also zum Beispiel den Kostenorientierungswert eins zu eins umzusetzen.

© fos/aerzteblatt.de

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