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Medizin

Nobelpreis für Medizin: Logistische Probleme beim Container-Transport in der Zelle

Montag, 7. Oktober 2013

Thomas Südhof, James E. Rothman, Randy Schekman (v.l.)

Stockholm – Der diesjährige Nobelpreis für Medizin geht an die drei US-Forscher James Rothman von der Yale Universität, Thomas Südhof von der Stanford Universität in Palo Alto/Kalifornien und Randy Schekman von der Universität von Kalifornien in Berkeley.

Die drei Grundlagenforscher wurden für ihre Erkenntnisse zu Transportmechanismen in der Zellorganellen geehrt, die in die Pathogenese verschiedener Erkrankungen von Tetanus bis zum Diabetes mellitus eingreifen. Sie beeinflussen beispielsweise, wie Insulin produziert und ans Blut abgegeben oder wie Nervenzellen Neurotransmitter in den Synapsen freisetzen werden.

Thomas C. Südhof wurde 1955 in Göttingen geboren. Er studierte an der dortigen Georg-August-Universität, wo er 1982 in Neurochemie promoviert wurde. Im fol­genden Jahr wechselte Südhof an das Southwestern Medical Center in Dallas, Texas, als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Michael Brown und Joseph Goldstein (die 1985 den Nobelpreis für Medizin erhalten hatten. Südhof wurde 1991 Forscher am Howard Hughes Medical Institute. Seit 2008 ist der Professor für molekulare und zelluläre Physiologie an der Stanford University. Um die Staatsangehörigkeit von Südhof herrschte bis zum Abend Verwirrung. Südhof war sich selbst nicht sicher, ob er neben der amerikanischen auch noch die deutsche Nationalität hat. Die deutsche Botschaft in Washington und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gaben widersprüchliche Auskünfte

James E. Rothman wurde 1950 in Haverhill im US-Staat Massachusetts geboren. Er promovierte 1976 an der Harvard Medical School, und ist nach verschiedenen Stationen an US-Universitäten derzeit an der Yale University in New Haven, Connecticut tätig.

Randy W. Schekman wurde 1948 in St. Paul im US-Staat Minnesota geboren. Nach einem Studium an an der Universität von Kalifornien in Los Angeles und der Stanford University arbeitete er unter anderem mit Rothman zusammen. Seit 1976 arbeitet Schekman an der Universität von Kalifornien in Berkeley.

Menschliche Zellen gleichen Häfen, in denen täglich Güter umgeschlagen werden. Sperrgut wird in Containern transportiert, die in den Zellen Vesikel heißen und häufig für den Export zuständig sind. Störungen in der Logistik führen in Häfen schnell zum Chaos. Beim Menschen können Krankheiten wie Diabetes. Epilepsie oder schwere Immun­defekte die Folge sein.

Vesikel sind eine Neuentwicklung von Eukaryoten, zu denen auch die meisten mensch­lichen Zellen gehören. Sie haben im Unterschied zu den Prokaryoten (dazu gehören die Bakterien) einen Zellkern und häufig noch weitere spezialisierte Zellor­ganellen, wie das endoplasmatische Retikulum. Dort werden Proteine gebildet. Diese werden über Vesikel an den Golgi-Apparat geleitet und nach einer Modifikation gelangen sie über weitere Vesikel zur Zellmembran.

Auf diese Weise exportieren beispielsweise Betazellen Insulin. Ein Grund für den Typ 2-Diabetes ist, dass der erhöhte Bedarf an Insulin die intrazelluläre Logistik überfordert und die so geschädigten Betazellen den Bedarf nicht mehr decken können. Auch in den meisten anderen Hormondrüsen werden die Peptide über Vesikel zur Membran verfrach­tet und von dort in die Umgebung freigesetzt.

Nervenzellen sind bei der Weiterleitung von Signalen am synaptischen Spalt ebenfalls auf Vesikel angewiesen. Diese transportieren die Neurotransmitter zur Zelloberfläche. Die Hülle der Vesikel fusioniert dort mit der Zellmembran, was zur Freisetzung der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt führt.

  • Medizinnobelpreisträger 2013

  • Medizinnobelpreisträger 2012

    • Der Medizinnobelreis für Medizin 2012 ging an zwei Pioniere der Stammzell­forschung. Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka wurden für die Entdeckung geehrt, dass reife Zellen des ausgewachsenen Körpers in unreife Stammzellen zurückverwandelt werden können. Aus diesen Zellen, sie werden heute induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) genannt, lassen sich im Prinzip alle Zellen des menschlichen Körpers differenzieren.Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen Zustand.

  • Medizinnobelpreisträger 2011

    • Der Medizinnobelpreisträger 2011 ging an drei Immunologen. Die eine Hälfte des Preisgeldes von 10 Millionen Schwedischen Kronen (rund eine Million Euro) teilen sich der US-Amerikaner Bruce Beutler, Chicago, und Jules Hoffmann aus Luxemburg für Entdeckungen zur Aktivierung der angeborenen (unspezifischen) Immunabwehr. Die andere Hälfte erhält der Kanadier Ralph Steinman, Montreal, für seine Entdeckung der dendritischen Zellen und ihre Rolle in der erworbenen (spezifischen) Immunität.

  •  Medizinnobelpreisträger 2010

  •  Medizinnobelpreisträger 2009

    • Der Medizinnobelpreis 2009 wurde für die Entdeckung der Telomerase und die Entschlüsselung seiner Funktion an Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak (USA) verliehen. Defekte der Telomerase werden in der Medizin als Ursache für eine frühzeitige Alterung diskutiert. Die Anti-Aging-Medizin sieht hier einen Ansatzpunkt zur Steigerung der Lebens­erwartung. Aber auch für die Krebstherapie könnten sich Perspektiven ergeben. Die drei Wissenschaftler haben das Enzym Telomerase und seine Schutzfunktion für die Chromosomen entdeckt.

  • Medizinnobelpreisträger 2008

  • Medizinnobelpreisträger 2007

  • Medizinnobelpreisträger 2006

    • Der Medizinnobelpreisträger 2006 ging an an die US-Forscher Andrew Fire und Craig Mello, die 1998 das Phänomen der RNA-Interferenz entdeckten. Mithilfe der RNA-Interferenz können gezielt Gene zum Verstummen („Silencing“) gebracht werden. Das spielt bei der Abwehr von Virusinfektionen eine Rolle, aber auch in der Regulierung normaler Gene.

  • Medizinnobelpreisträger 2005

    • Der Medizinnobelpreis 2005 ging an Barry Marshall und Robin Warren (Australien), die den „Magenbazillus“ Helicobacter pylori entdeckt haben und als erste dessen Bedeutung für die Ätiologie peptischr Ulzera erkannten. Das Nobel-Komitee ehrt damit eine „bemerkenswerte und unerwartete“ Entdeckung aus dem Jahr 1982, die die damaligen Vorstellungen von der Ätiologie von peptischen Ulzera so radikal veränderte, dass viele Ärzte Schwierigkeiten hatten, die Erkenntnisse zu akzeptieren. 
  • Medizinnobelpreisträger 2004

  • Medizinnobelpreisträger 2003

    • Der Medizinnobelpreis 2003 erhielten zu gleichen Teilen an der US-Amerikaner Paul Lauterbur und der Briten Sir Peter Mansfield. Die Forscher wurden für „entscheidende Entdeckungen in Bezug auf den Einsatz von Magnetresonanz bei der Abbildung unterschiedlicher Strukturen“ geehrt. In der Begründung heißt es: „Diese Entdeckungen führten schließlich zur modernen Magnetresonanztomographie (MRT), die einen entscheidenden Durchbruch sowohl für die Krankenbehandlung als auch die medizinische Forschung bedeutete.“

Eine Folge von Logistikproblemen in Nervenzellen kann eine Epilepsie sein – oder eine Lähmung. So verhindern einige Botulinumtoxine, die stärksten Gifte in der Natur, dass der Neurotransmitter Acetylcholin in den synaptischen Spalt freigesetzt wird. An der motorischen Endplatte bricht dann die Signalkette ab. Bei Lebensmittelvergiftungen löst dies tödliche Lähmungen aus, bei lokaler Injektion unter die Gesichtshaut kann Botulinumtoxin jedoch Falten glätten – durch die beabsichtigte Lähmung mimischer Muskeln.

Auf ähnliche Weise, aber mit klinisch gegenteiliger Folge wirkt das Gift von Clostridium tetani. Sein Neurotoxin, nach dem Botulinumtoxin das zweitstärkste in der Natur, verhindert ebenfalls die Fusion von Vesikeln mit der Zellmembran und die Freisetzung von Neurotransmittern. An den GABA-ergen inhibitorischen Neuronen im Rückenmark hat dies aber die gegenteilige Wirkung. Die fehlende Kontrolle der Motoneuronen führt zur Überaktivität und zu einer spastischen Lähmung.

Auch Abwehrzellen sind auf den reibungslosen Transport von Vesikeln zur Zellmembran angewiesen. Sie setzen auf diese Weise Antikörper und Zytokine frei. Störungen haben Krankheiten wie die familiäre Hämophagozytische Lymphohistiozytose zur Folge. Diese seltene Störung führt zu einer Überaktivierung von T-Zellen und Makrophagen. Die Folge ist ein tödlicher Amoklauf des Immunsystems. Zu den Ursachen gehören Muta­tionen in Genen, deren Proteine am Transport und an der Freisetzung des Vesikel­inhaltes beteiligt sind.

Nobelpreisträger klärten Vesikeltransport auf
Seit den letzten vier Jahrzehnten konnten die drei Nobelpreisträger nach und nach die molekularen Mechanismen für den Vesikeltransport aufklären. Als erster identifizierte Randy Schekman seit den 70er Jahren an Hefezellen – die wie die menschlichen Zellen zu den Eukaryoten gehören – eine Reihe von Genen, die am Vesikeltransport vom endoplasmatischen Retikulum zum Golgi-Apparat und von dort zur Zellmembran beteiligt sind. Der Forscher musste dabei sehr behutsam vorgehen, da die meisten Mutationen, die den Vesikeltransport steuern, zum sofortigen Untergang der Hefezellen führen, was die essenzielle Bedeutung des Containertransfers für die Zellen unterstreicht.

James Rothman hat dann in den 1980er und 1990er Jahren mehrere Proteine entdeckt, die an der Fusion der Vesikel mit der Membran beteiligt sind. Diese Proteinkomplexe legen unter anderem fest, wo die Vesikel ihre Neurotransmitter freisetzen und sie bilden einen Ansatzpunkt für die Wirkung der Clostridien-Toxine.

Thomas Südhof hat die Erkenntnisse abgerundet, indem er zeigen konnte, welche Mechanismen die Fusion der Vesikel steuern. Dies ist vor allem an den Synapsen von Bedeutung, da die Nervenleitung und damit die Funktion des Gehirns sehr stark davon abhängt, dass die Neurotransmitter zum richtigen Zeitpunkt freigesetzt werden. Zu den wichtigsten Erkenntnissen hier gehört die Entdeckung, dass ein Kalziumeinstrom in die Nervenzelle der entscheidende Schalter für die Freisetzung der Neurotransmitter ist.

Reaktionen

Für den in Göttingen geborenen Wissenschaftler Thomas Südhof ist der Medizin-Nobelpreis „von enormer Bedeutung“. Die Auszeichnung sei aber nicht nur eine Anerkennung seiner eigenen Arbeit. „Er ist auch eine Würdigung der Arbeit vieler Leute, die mit mir zusammengearbeitet haben“, sagte Südhof am Montag in Baeza in Südspanien, wo er an einer Fachkonferenz teilnimmt. Außerdem werde mit der Entscheidung das Forschungsgebiet der Transportmechanismen in Zellen anerkannt.

Von der Zuerkennung des Nobelpreises habe er durch einen Anruf erfahren, den er während der Autofahrt zum Tagungszentrum in Baeza erhalten habe. „Das war der überraschendste Anruf, den ich je bekommen habe“, sagte Südhof.

Randy Schekman wurde vollkommen überrascht: „Ich war gerade aus Deutschland zurückgekommen und hatte meiner Frau stolz die Warburg-Medaille gezeigt, die ich gerade in Frankfurt bekommen hatte“, sagte Schekman am Montag „Weil ich völlig fertig vom Flug war, bin ich ziemlich früh ins Bett gegangen. Um 1.30 Uhr kam dann der Anruf.“

Trotz des Nobelpreises will er weiterarbeiten wie zuvor. „Ich konnte gestern noch gut in meinem Büro arbeiten und ich kann es morgen hoffentlich auch noch. Die Arbeit macht uns allen enorm Spaß und ich möchte keine Sekunde im Labor missen.“ dpa

Seit 1901 haben 201 Forscher den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhalten, darunter nur zehn Frauen. Das Durchschnittsalter betrug bisher 57 Jahre. Der jüngste Medizinnobelpreisträger war Frederick Banting, der 1923 im Alter von 32 Jahren die Entdeckung von Insulin geehrt wurde. Der älteste Preisträger war mit 87 Jahren Peyton Rous, der den Preis 1966 für die Entdeckung von Tumorviren erhielt.

Bis zum Freitag werden die Nobelpreise für Physik, Chemie, Medizin und Literatur sowie der Friedens-Nobelpreis bekanntgegeben. Die Nobelpreise sind jeweils mit acht Millionen schwedischen Kronen oder umgerechnet 920.000 Euro. Die offizielle Verleihung erfolgt am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. © rme/aerzteblatt.de

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