Ärzteschaft
Krebsregister: KV Nordrhein kritisiert Strafandrohungen für Ärzte
Donnerstag, 24. Oktober 2013
Düsseldorf – Daten an das Krebsregister zu melden ist wichtig, die jetzt vom nordrhein-westfälischen Landtag beschlossenen möglichen Strafen für lückenhaftes Melden sind aber überzogen. Das kritisiert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein.
Im Zuge der Novelle des Krebsregistergesetzes hatte der Landtag am 16. Oktober beschlossen, die bereits seit 2005 bestehende Meldepflicht drastisch zu verschärfen, nicht erfolgte Meldungen als Ordnungswidrigkeit zu werten und mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro zu ahnden. „Die jetzt beschlossene Verschärfung des Melderechts jedoch, insbesondere die völlig unangemessene Höhe des möglichen Bußgelds, lehnen wir ab“, sagte Peter Potthoff, Vorsitzender des Vorstands der KV Nordrhein.
Als „drastische Strafe, die nur die allerletzte Maßnahme sein kann“, hatte der Medizinische Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), Bernhard Wörmann, die Verschärfung schon im Vorfeld bezeichnet. Es sei nicht mangelnder guter Wille oder Ablehnung, wenn Meldungen lückenhaft seien.
„Deswegen sollten wir vor der Androhung von drastischen Bußgeldern nach den Gründen für die Dokumentationslücken fragen“, so Wörmann gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Oft seien Strukturprobleme verantwortlich, die sich durch eine andere Form der Organisation oder eine verbesserte Technik lösen ließen.
„Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass bei den Ärzten eine hohe Bereitschaft zur Datenübermittlung besteht. Genau deshalb halte ich eine Bußgeldandrohung – insbesondere in dieser Höhe – für absolut kontraproduktiv“, sagte auch Potthoff. Im Augenblick stehe kein elektronisches Meldeverfahren zur Verfügung, das die KV ihren Mitgliedern empfehlen könne.
„Vor diesem Hintergrund fordern wir, die Verhängung von Bußgeldern solange auszusetzen, bis verbesserte und weithin akzeptierte Meldewerkzeuge- und Instrumente zur Verfügung stehen“, sagte der KV-Chef. © hil/aerzteblatt.de

Beschluss des Landtags verstößt gegen §9 Satz 1 des Datenschutzgesetzes
Die Herren Politiker sollten sich schon mit den bereits geltenden Gesetzen auskennen, wenn Sie derartigen Mist beschließen:
Das Datenschutzgesetz fordert neben Anderem besonders gemäß Paragraf 9 :
(1) Die Gestaltung und Auswahl der technischen Einrichtungen und der Verfahren zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten hat sich an dem Grundsatz auszurichten, keine oder so wenige personenbezogene Daten wie möglich zu verarbeiten.
Wenn also, wie Dr. Schätzler richtig schreibt, die für das Krebsregister erforderlichen Daten bereits einmal erhoben worden sind, wäre eine davon unabhängige zweite Erhebung gesetzwidrig.
Wie wäre es, wenn die KV Nordrhein –außer zu lamentieren– ihre Rechtsanwälte in Marsch setzen würde?
Clemens M. Hürten – Lebenslust jetzt! – Rottweil

Datenschutz

Hilfe statt Strafe - nicht für Ärzte?
Die politischen Gesundbeter und Wunderheiler haben wohl vergessen, dass auf den Festplatten der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherungen (GKV/PKV) bzw. auf den Servern der Kassenärztlichen Vereinigungen komplette Datensätze über Erstdiagnosen, Krankheitsverläufe und Behandler von Tumorkrankheiten nach ICD-10-GM seit fast 14 Jahren (anfangs als ICD-10-SGB-V) umfassend dokumentiert sind. In Deutschland ist die Diagnoseverschlüsselung der Vorläuferversion nach ICD-9 im stationären Sektor seit 27 Jahren (1986) verpflichtend.
Auch wenn diese Daten der Schweigepflicht unterliegen, trifft dies für wissenschaftliche Auswertungen unter bestimmten Kautelen des Datenschutzes und des Rechts auf „informationelle Selbstbestimmung“ (BVG-Urteil zur Volkszählung) n i c h t zu. Daten für einen „Nationalen Krebsplan“ sind seit Jahrzehnten vorhanden, nur noch nicht ausgewertet: „Bisher haben die Statistiker ihre Daten nur gesammelt und verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie auszuwerten!“
Bei Ärztinnen und Ärzten, die sich in Klinik und Praxis, im Labor, in Wissenschaft und Forschung im Rahmen von multimodalen Diagnostik-, Therapie- und Palliativkonzepten intensiv um Krebskranke kümmern, fällt den politisch Verantwortlichen und Entscheidungsträgern nur noch Schwarze Pädagogik ein. Bei unseren Patienten mit Drogen-, Alkohol-, Medikamentenabhängigkeit, bei HIV-, Hepatitis-, venerischen Infektionen, bei fahrlässigen Unfällen, Fehlernährung, Adipositas permagna und Hochrisikosportarten ist H i l f e statt S t r a f e unser ärztliches Leitbild: Flankiert von Beratungsstellen, aufsuchender Sozialarbeit, Amtspflegschaften, gesetzlichen Betreuungen, niedrigschwelligen Hilfsangeboten, Information durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Rettungsleitstellen, Medien- und Öffentlichkeitskampagnen.
Was soll also das populistisch-politisch verursachte und pönalisierende Durcheinander? Vollkommen unsinnige Mehrfachmeldungen sollen unter Strafandrohung und Diskriminierung von präventiv, kurativ und palliativ tätigen Kollegen erzwungen werden? Es ist allerhöchste Zeit, über ein positives Melde-, Belohnungs- und Bestätigungssystem nachzudenken, mit dem ein nationales Krebsregister und ein nationaler Krebsplan aufgebaut bzw. Präventionsziele verwirklicht werden können. F ö r d e r n und Fordern, n i c h t mit Strafen drohen, das ist die Devise!
Aber ich kenne nur zu gut die Ängste und Vorbehalte verschnarchter politischer Bedenkenträger: Doch ja, es gibt sie tatsächlich, die EDV-Spezialisten und Computer-Freaks, die jahrzehntealte ebenso wie neueste Datensätze blitzschnell auslesen könnten: „Nicht verzagen, NSA fragen!“
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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