Medizin
Clarithromycin kann Kalziumantagonist überdosieren
Dienstag, 12. November 2013
London/Kanada – Das Antibiotikum Clarithromycin hemmt in der Leber den Abbau von Kalziumantagonisten, was immer wieder zu hypotensiven Krisen führt. Eine mögliche Folge ist ein akutes Nierenversagen, wie eine bevölkerungsbasierte Studie aus Kanada im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2013; doi: 10.1001/jama.2013.282426) zeigt.
Die Anfälligkeit des Makrolidantibiotikums Clarithromycin für Arzneimittelwechselwirkungen ist bekannt, und auch in den deutschen Fachinformationen (beispielsweise von Klacid) nimmt sie breiten Raum ein. Ursache für die Probleme ist die Inhibition des Enzyms CYP3A4 durch Clarithromycin.
CYP3A4 gehört zum Entgiftungssystem der Leber. Abgebaut werden dort auch die in der Hochdrucktherapie häufig eingesetzten Kalziumantagonisten. Deren Konzentration im Serum stieg in anderen Studien um bis zu 500 Prozent, was bei Patienten mit gut eingestellter Hypertonie zu gefährlichen Hypotonien führen kann, wenn sie aufgrund einer Infektion mit Clarithromycin behandelt werden.
Da Hypertoniker (wie andere Menschen auch) gelegentlich an bakteriellen Infektionen erkranken, ist eine gemeinsame Verordnung von Kalziumantagonisten und Clarithromycin keine Seltenheit. Das Team um den Nephrologen Amit Garg von der Kidney Clinical Research Unit in London/Ontario konnte in einem 10-Jahreszeitraum nicht weniger als 96.226 Doppelverordnungen ermitteln.
Meistens blieb die Doppelverordnung ohne Folgen (soweit sich dies anhand der Datenbankanalyse beurteilen lässt). Insgesamt 420 Patienten mussten jedoch wegen akuter Nierenprobleme hospitalisiert werden. Garg errechnet eine Komplikationsrate von 0,44 Prozent. Sie war doppelt so hoch wie bei Patienten, denen Kalziumantagonisten zusammen mit Azithromycin verschrieben wurden. Hier kam es bei 208 von 94.083 Doppelverordnungen oder 0,22 Prozent zu Hospitalisierungen wegen Nierenproblemen. Diese Zwischenfälle hatten wahrscheinlich eine andere Ursache, da Azithromycin kein Inhibitor am Enzym von CYP3A4 ist.
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Die Interaktion mit Clarithromycin war für die einzelnen Kalziumantagonisten unterschiedlich stark: Am häufigsten kam es nach der gleichzeitigen Verordnung von Nifedipin zu Komplikationen (Anstieg der Häufigkeit um 0,63 Prozentpunkte), gefolgt von Felodipin (plus 0,30 Prozentpunkte) und Amlodipin (plus 0,15 Prozentpunkte). Für Diltiazem wurde ein nicht signifikanter Anstieg (plus 0,07 Prozentpunkte) gefunden und für Verapamil gab es kein Signal. Interessanterweise ist Verapamil der einzige Kalziumantagonist der in der deutschen Fachinformation von Klacid als Auslöser von Wechselwirkungen genannt wird.
Die gleichzeitige Verschreibung von Kalziumantagonisten war in der Auswertung von Garg auch verbunden mit einer erhöhten Rate von Hospitalisierungen wegen starker Blutdruckabfälle (0,12 versus 0,07 Prozent; absoluter Anstieg 0,04 Prozentpunkte) und einer erhöhten Gesamtsterblichkeit (1,02 versus 0,59 Prozent; absoluter Anstieg 0,43 Prozentpunkte).
Auch wenn das Risiko für den einzelnen Patienten gering sei, könne ein akutes Nierenversagen doch gravierende Folgen haben, warnt Garg. Die vermeidbare Arzneimittelwechselwirkung zwischen Kalziumantagonisten und Clarithromycin habe in den letzten Jahren in Ontario vermutlich Hunderte von Hospitalisierungen und Todesfälle zur Folge gehabt, schreibt Garg. © rme/aerzteblatt.de

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