Ärzteschaft
Forschungspreis „Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus“ verliehen
Freitag, 15. November 2013
Berlin – Heute wurde im Medizinhistorischen Museum der Charité in Berlin der Forschungspreis zur „Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus“ verliehen. Der Preis wurde zum vierten Mal gemeinsam von Bundesgesundheitsministerium, Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) vergeben.
Die Gräueltaten des Nationalsozialistischen Regimes ließen auch 68 Jahre nach dessen Untergang die Menschen nicht los, sagte der Präsident der BÄK Frank Ulrich Montgomery. Es sei wichtig, dieser dunklen Epoche deutscher Vergangenheit und ihren Opfern zu gedenken, denn „die Zukunft kann nur gestalten, wer mit den Fakten der Vergangenheit lebt“, betonte Montgomery.
Die Vertreibung jüdischer Ärzte sei durch Mithilfe ihrer deutschen Kollegen geschehen. Repräsentanten der Ärzteschaft hätten die Taten nicht nur zugelassen, sondern sich auch aktiv daran beteiligt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeige, dass Antisemitismus in Europa wieder zunehme. 66 Prozent der europäischen Juden gaben an, dass sie aufgrund ihres Glaubens mit Ressentiments zu kämpfen hätten.
Dies verdeutliche, wie wichtig die Aufarbeitung der Rolle der deutschen Ärzteschaft während der NS-Zeit sei. Montgomery schlug vor, den Preis zukünftig als Herbert-Lewin-Forschungspreis zu verleihen, da der Lebensweg dieses jüdischen Arztes als Sinnbild für die Verfolgung der Juden und insbesondere jüdischer Ärzte stehe.
Manfred Richter-Reichhelm, ehemaliger Vorsitzender der KBV und Mitglied der Jury des Forschungspreises, appellierte an den ärztlichen Nachwuchs, sich der Vergangenheit der Ärzteschaft im Nationalsozialismus zu widmen und sie zum Thema ihrer Dissertation zu machen. Dies helfe dabei, medizinethische Fragen der Gegenwart und Zukunft zu thematisieren.
Den 1.Preis erhielt Karl Werner Ratschko für seine Dissertation „Kieler Hochschulmediziner in der Zeit des Nationalsozialismus – Die Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität im Dritten Reich“. Die Arbeit sei eine detailgenaue Beschreibung, wie eine Fakultät von nationalsozialistischer Propaganda durchdrungen und zu deren Instrument wurde. Sie besitze einen hohen Multiplikationsfaktor, andere Hochschulen zu inspirieren, ihre Geschichte während der Nazidiktatur aufzuarbeiten, heißt es in der Begründung der Jury.
Der 2. Preis ging an Matthis Krischel, Friedrich Moll, Julia Bellmann, Albrecht Scholz und Dirk Schultheiss für ihre Veröffentlichung „Urologen im Nationalsozialismus“. Der Doppelband zur Geschichte der Urologie in Deutschland und Österreich gehe über die üblichen Arbeiten deutlich hinaus. Es handele sich um eine grundlegende Darstellung, die es verdiene, breit wahrgenommen zu werden.
Außerdem ging ein Sonderpreis an Ruth Jacobs für die Publikation „Jüdische Ärzte in Schöneberg – Topographie der Vertreibung“; diese zeige, wie in einem Zentrum aufgeklärter deutscher Kultur und Intelligenz durch Entrechtung, Verfolgung und die daraus resultierende Emigration oder Ermordung Lücken in die medizinische Versorgung gerissen wurden.
Ein weiterer Sonderpreis ging an Sigrid Falkenstein für das Buch „Annas Spuren – Ein Opfer der NS „Euthanasie“ “, das am Beispiel eines geistig behinderten Mädchens die Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Alltags und der am „Euthanasieprogramm“ beteiligten Ärzte schildere.
© OL/aerzteblatt.de

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