Medizin
Zerebrale arteriovenöse Malformation: Interventionen erhöhen Sterberisiko
Donnerstag, 21. November 2013
Paris – Obwohl zerebrale arteriovenöse Malformationen, die dank der Fortschritte der bildgebenden Verfahren immer häufiger diagnostiziert werden, ein erhebliches Risiko auf Hirnblutungen bergen, haben sich verschiedene Interventionen in einer randomisierten Studie im Lancet (2013; doi: 10.1016/S0140-6736(13)62302-8) als zu riskant erwiesen. Nach einer Verdreifachung im Endpunkt Tod oder Schlaganfall musste die Studie vorzeitig abgebrochen werden.
Zerebrale arteriovenöse Malformationen (AVM) treten vor allem bei Erwachsenen jenseits des 40. Lebensjahres auf. In der Vergangenheit wurden sie meist erst nach einer Hirnblutung diagnostiziert, der wichtigsten Komplikation. Heute kommt es zunehmend zu Zufallsbefunden, wenn aus anderen Gründen eine Computer- oder Kernspintomographie durchgeführt wird.
Da retrospektive Studien das Blutungsrisiko auf bis zu 4 Prozent pro Jahr schätzen, stellte sich die Frage, ob eine asymptomatische AVM vorbeugend behandelt werden sollte. Dies ist mittels Katheterbehandlung (Embolisation), Operation (mikroneurochirurgische Resektion) oder Radiochirurgie (stereotaktische Bestrahlung) möglich. Alle Verfahren sind jedoch riskant. Sie können einen Schlaganfall auslösen, vor dem die Patienten eigentlich geschützt werden sollten.
Ziel der ARUBA-Studie (A Randomised trial of Unruptured Brain AVM) war es, Nutzen und Risiken der Interventionen besser abwägen zu können. Eigentlich sollten an den 39 Zentren (darunter die Unikliniken in Frankfurt/Main und Dresden und die Berliner Charité) 400 Patienten auf eine optimale medikamentöse Behandlung oder eine zusätzliche Intervention randomisiert werden. Dabei blieb es den Zentren überlassen, welche Intervention sie auswählten.
Doch nach Einschluss von 223 Patienten brach der Sponsor, das US-National Institute of Neurological Disorders and Stroke, die Studie im Mai 2013 nach einer Nachbeobachtungszeit von 33 Monaten ab. Anlass war ein unübersehbarer Anstieg im primären Endpunkt der Studie aus Tod oder Schlaganfall. Er war zu diesem Zeitpunkt unter alleiniger medikamentöser Therapie von 11 Patienten (10,1 Prozent) erreicht worden, gegenüber 35 Patienten (30,7 Prozent) im Interventionsarm der Studie.
Das Team um Christian Stapf vom Hôpital Lariboisière in Paris errechnet jetzt in der abschließenden Publikation eine Hazard Ratio von 3,70, die bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,85 bis 7,14 keinen Zweifel daran lässt, dass die Intervention eher schadet als nutzt. Es kam nach der Intervention sowohl zu einem Anstieg der Schlaganfälle (45 versus 12 Patienten) als auch von neurologischen Ausfällen aus anderen Gründen (14 versus 1 Patient).
Die Patienten sollen jetzt über weitere 5 Jahre nachbeobachtet werden. Während dieser Zeit wird sich die Zahl der Schlaganfälle unter der alleinigen medikamentösen Therapie vermutlich erhöhen. Die in der Publikation veröffentlichte Kaplan-Meier-Überlebenskurve lässt erwarten, dass im Interventionsarm nach etwa drei Jahren ein Plateau erreicht wird.
Der Unterschied war allerdings so groß, dass die medikamentöse Therapie auch nach 5 Jahren noch im Vorteil sein wird. Angesichts der hohen Komplikationsrate von 30,7 Prozent dürfte die Indikation zu einer Intervention in Zukunft bei asymptomatischen Patienten, wenn überhaupt, dann doch sehr zurückhaltend gestellt werden. © rme/aerzteblatt.de

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