Medizin
Krebs: Journal zieht umstrittene Genmais/Herbizid-Studie zurück
Freitag, 29. November 2013
Atlanta – Die von Elsevier herausgegebene Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology hat die Publikation einer umstrittenen Studie zurückgezogen, in der Versuchstiere nach Fütterung mit Genmais oder der Exposition mit dem Herbizid Roundup an Krebs erkrankt waren und vorzeitig starben.
Als Grund für die Rücknahme wurde genannt, die Ergebnisse seien „nicht schlüssig“ und hätten deshalb nicht die „Schwelle zur Publikation“ erreicht. Vorausgegangen war eine heftige Kontroverse, um die Aussagekraft der Ergebnisse und die wissenschaftliche Integrität des Autors.
Die Studie „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize” war im September 2012 in Food and Chemical Toxicology erschienen, einem allseits anerkannten Journal, das alle eingereichten Studien einem „Peer review“ unterzieht. Dieser Gutachterprozess hatte damals offenbar keine Ungereimtheiten festgestellt.
Nach der Publikation, die von Genmais-Gegnern aufgegriffen wurde und seither als Beleg für die gesundheitlichen Risiken zitiert wird, kam es dann jedoch zu heftigen Vorwürfen, die auch vor dem Hauptautor, den Biologen Gilles-Eric Séralini von der Universität Caen in Frankreich, nicht halt machten. Diesem wurden Fehler, Sensationalismus und auch Betrug vorgeworfen.
Der Herausgeber des Journals, der Toxikologe A. Wallace Hayes von der Emory University in Atlanta, veranlasste daraufhin eine Prüfung, die allerdings keinerlei Hinweise auf Fälschungen oder eine absichtlich falsche Darstellung der Daten ergaben. Hayes lobte sogar die gute Kooperation von Séralini, der einem Prüfergremium Einblick in die Rohdaten gewährt hatte.
Damit entfällt ein Beweggrund, der in den letzten Jahren in verschiedenen Fällen zu Publikationsrücknahmen geführt hatte. Hayes begründet das ungewöhnliche Verhalten mit „legitimen“ Bedenken gegen die Wahl der Versuchstiere (Sprague-Dawley mit einer hohen spontanen Tumorentwicklung) und deren geringe Anzahl (20 Tiere pro Gruppe). Eine tiefgehende Analyse der Rohdaten habe ergeben, dass aus den Ergebnissen keine definitiven Schlussfolgerungen zur Mortalität oder zur Krebsinzidenz gezogen werden könnten, weder den Genmais NK603 noch das Herbizid Glyphosat betreffend, schreibt Hayes in einer Stellungnahme.
Die von Hayes geäußerten Bedenken waren in den letzten Monaten bereits auf den Leserbriefseiten des Journals diskutiert worden, so dass offen bleiben muss, welchen Sinn und Zweck die Rücknahme der Publikation vor dem Hintergrund hat, dass dem Autoren keine Verfehlungen nachzuweisen waren. Die britische Organisation GMWatch, die zu den Gegnern von genmanipuliertem Mais gehört, hat das Vorgehen deshalb als „rechtswidrig, unwissenschaftlich und unethisch“ bezeichnet.
Die Studie umfasste 200 Versuchstiere, aufgeteilt in 10 Gruppen à 20 Tiere. Einem Teil der Tiere war über zwei Jahre Genmais der Sorte NK603 unter das Futter gemischt worden. Der Genmais NK603 ist durch Genmodifikation resistent gegen das Herbizid Glyphosat, enthält zwei Kopien des Enzyms EPSPS, das resistent gegen Glyphosat ist. Glyphosat wird vom NK603-Hersteller Monsanto unter dem Handelsnamen „Roundup“ vertrieben. In anderen Gruppen war den Tieren Glyphosat ins Trinkwasser gegeben worden. Die mit Genmais oder Glyphosat exponierten Tiere waren deutlich häufiger an Krebs erkrankt und früher gestorben. Außerdem waren Leber- und Nierenschäden aufgetreten.
Die Studie sorgte gleich nach ihrer Publikation für Aufsehen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam damals rasch zu dem Ergebnis, dass die Studie „nicht die anerkannten wissenschaftlichen Standards“ erfülle. Die EFSA sah deshalb keinen Grund für regulatorische Maßnahmen. NK603 war 2003 aufgrund eines Gutachtens der EFSA in Europa zugelassen worden.
Séralini hat die Studie verteidigt. Die Firma Monsanto habe für ihre Zulassungsstudien ebenfalls Sprague-Dawley-Ratten eingesetzt, im Unterschied zu seiner Studie die Fütterungen aber nur über 90 Tage durchgeführt. Sprague-Dawley-Ratten seien aufgrund ihrer hohen Rate von Spontantumoren für die Studien ausgewählt worden. Entscheidend für die wissenschaftlichen Ergebnisse sei der Anstieg der Tumorrate unter der Exposition. © rme/aerzteblatt.de
