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Medizin

Probiotika lindern „Autismus“ im Tiermodell

Freitag, 6. Dezember 2013

Pasadena/Kalifornien. Die Behandlung mit einem probiotischen Bakterium hat in einem Mäuse-Modell des Autismus den Barrieredefekt in der Darmschleimhaut behoben, den Forscher in Cell (2013; doi: 10.1016/j.cell.2013.11.024) mit dem „autistischen“ Verhalten der Tiere in Verbindung bringen.

Schwere Virusinfektionen in der Schwangerschaft werden derzeit als Risikofaktoren für Autismus-Spektrum-Störungen diskutiert, wobei eine Aktivierung des Immunsystems der Mutter (maternal immune activation, MIA) für die intrauterinen Schäden verantwortlich sein soll. Das Team um Paul Patterson vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena hat hierzu ein Mäusemodell entwickelt.

Ob die Mäuse wirklich autistisch sind, lässt sich wie bei allen psychiatrischen Erkran­kungen schwer beurteilen. Sie zeigen jedoch ein auffälliges Verhalten. Dazu gehört, dass sie andere Tiere meiden, kaum quiekende Laute (im Ultraschallbereich) von sich geben und zu repetitivem Verhalten neigen, etwa einer zwanghaften Fellpflege oder das Vergraben von Murmeln.

Ein weiteres Kennzeichen der MIA-Mäuse ist eine intestinale Barrierestörung mit dem Übertritt bakterieller Toxine ins Blut. Über ungewöhnliche Darmsymptome sollen auch viele Patienten mit Autismus-Spektrum-Störungen klagen (wobei die Angaben aber deutlich zwischen 0 und 80 Prozent schwanken).

Dies brachte Elaine Hsiao aus Pattersons Labor am Caltech auf die Idee, bei den MIA-Mäusen eine Therapie zu erproben, die bei einer weiteren intestinalen Barriere­störung, dem Morbus Crohn, als Therapie in der Diskussion ist. Bacteroides fragilis, Bestandteil der normalen Darmflora, kann – wiederum in einem Mäusemodell – die erhöhte Permeabilität für Darmbakterien, zu der es beim Morbus Crohn kommt, normalisieren. Die Experimente von Mazmanian zeigen, dass dies auch bei den MIA-Mäusen möglich ist.

Die orale Behandlung mit B. fragilis über eine Woche behob den Barrieredefekt: Die Konzentration von 4-Ethylphenylsulfat, einem Produkt von Darmbakterien, die bei MIA-Mäusen um den Faktor 46 im Blut erhöht ist, normalisierte sich durch die probiotische Behandlung. Darüber hinaus beobachteten die Forscher auch eine Veränderung im Verhalten der Mäuse. Die Tiere gaben ihr zwanghaftes Vergraben von Murmeln auf und sie begannen quiekende Laute von sich zu geben. In einem anderen Punkt, dem sozialen Verhalten, konnte Hsiao jedoch keine Veränderungen erkennen.

Überhaupt bleibt ein Mäusemodell ein Mäusemodell, und inwieweit es die Situation beim Menschen wiedergibt, lässt sich nur schwer beurteilen. Die tierexperimentellen Befunde entwerfen ein völlig neues Konzept von der Erkrankung. Danach würde die Erkrankung intrauterin mit einer Schädigung der Darmschleimhaut beginnen. Nach der Geburt (und der bakteriellen Besiedlung des Darms) würden dann bakterielle Toxine ins Blut übertreten und das Gehirn schädigen.

Ob die Pathogenese bei Autismus-Spektrum-Störungen dieselbe ist, müsste allerdings erst noch gezeigt werden. Ebenso so unklar ist, ob die Therapie auch beim Menschen greifen würde. Klinische Studien dürften dadurch erschwert werden, dass die Erkrankung derzeit erst relativ spät im Alter von 3 bis 5 Jahren diagnostiziert wird, wenn die Schädigungen möglicherweise bereits irreversibel sind. © rme/aerzteblatt.de

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