Medizin
Vorhofflimmern: Warfarin steigert Schlaganfall zu Therapiebeginn
Freitag, 20. Dezember 2013
Montreal – Kommt es in der Initialphase einer oralen Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten zu einer paradoxen Steigerung thrombo-embolischer Komplikationen? Eine Fall-Kontroll-Studie im European Heart Journal (2013; doi: 10.1093/eurheartj/eht499) ermittelte bei Patienten mit Vorhofflimmern in den ersten 30 Tagen einer Therapie mit Warfarin ein signifikant erhöhtes Schlaganfallrisiko.
Die Untersuchung wurde durch Beobachtungen in den Studien zu den neuen oralen Antikoagulanzien Rivaroxaban und Apixaban ausgelöst. Dort waren einige Patienten nach dem Ende der Studie auf Warfarin umgestellt worden, mit dem Ergebnis einer deutlich erhöhten Rate von systemischen Thrombosen, wie Laurent Azoulay von der McGill University in Montreal berichtet.
Der Epidemiologe hat deshalb zu dieser Frage die UK Clinical Practice Research Datalink befragt, die weltweit größte Sammlung von Patientendaten. Sie verzeichnet für die Jahre 2003 bis 2008 insgesamt 70.766 Patienten mit Vorhofflimmern, von denen etwa 5,519 im Verlauf der Beobachtungszeit an einem Schlaganfall erkrankten. Das hohe Schlaganfallrisiko von absolut etwa 2 Prozent pro Jahr ist der Grund für die Warfarin-Therapie, die während der längsten Therapiezeit auch in der Lage war, die Patienten zu schützen. Das Schlaganfallrisiko war gegenüber Patienten, die kein Warfarin erhielten, in etwa halbiert.
Anders war dies zu Beginn der Therapie. Vor allem in der ersten Woche nach der Warfarintherapie kam es zu einem deutlichen Anstieg. Bezogen auf die ersten 30 Tage war das Risiko um 71 Prozent erhöht gegenüber Patienten, die kein Warfarin erhalten hatten (relatives Risiko 1,71; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,39–2,12, wobei Figure 2 in der Publikation vermuten lässt, dass die Gefahr auf die ersten 7 Tage beschränkt sein könnte).
Eine mögliche Erklärung des erhöhten Risikos könnte laut Azoulay in der Wirkung der oralen Antikoagulanzien liegen, die neben der Synthese der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X auch die Proteine C und S hemmen, deren Mangel die Gerinnungsfähigkeit des Blutes zeitweise heraufsetzen könnte. Die Beweiskraft einer epidemiologischen Studie, die hier die Verordnung von Warfarin den medizinischen Diagnosen gegenüberstellt, ist jedoch begrenzt.
Es fehlen jegliche Daten zu den erzielten Gerinnungsparametern und damit zur Qualität der Antikoagulation. Außerdem lässt sich bei Fall-Kontroll-Studien niemals ausschließen, dass andere Faktoren für den Anstieg der Schlaganfallrate verantwortlich waren (im schlimmsten Fall einer reversen Kausalität wurde Warfarin bei einigen Patienten zur Behandlung von systemischen Thrombosen eingesetzt).
Azoulay fordert deshalb die Überprüfung durch randomisierte klinische Studien. Erst danach dürften die Fachgesellschaften bereit sein, über einen überbrückenden Schutz durch Heparin nachzudenken. Für den behandelnden Arzt lautet die Botschaft, bei Patienten mit Vorhofflimmen in den ersten Tagen einer oralen Antikoagulation auf die Möglichkeit eines Schlagfanfalls gefasst zu sein. Die Indikation zur oralen Antikoagulation wird durch die Studie nicht infrage gestellt.
© rme/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema

