Ärzteschaft
Gesundheitsausschuss: Chefarztverträge in der Kritik
Donnerstag, 3. April 2014
Berlin – Viele Krankenhausgeschäftsführungen schließen offenbar weiterhin Arbeitsverträge mit Chefärzten ab, die Anreize für eine besonders großzügige Indikationsstellung setzen. Dies zeigte ein nicht-öffentliches Expertengespräch am 2. April im Gesundheitsausschuss des Bundestages, über den der Bundestagsinformationsservice Heute im Bundestag berichtet.
Der Gesetzgeber hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Anfang 2013 ultimativ aufgefordert, im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer (BÄK) bis Ende April 2013 Empfehlungen abzugeben, um sicherzustellen, dass in den Kliniken „Zielvereinbarungen, die auf finanzielle Anreize bei einzelnen Leistungen abstellen, ausgeschlossen sind“. Diese Empfehlungen sollten insbesondere die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen sichern, wie es im novellierten Paragrafen 136a SGB V heißt.
DKG und BÄK hatten sich daraufhin auf folgende vier Punkte geeinigt:
- „Chefärzte sind in ihrer Verantwortung für die Diagnostik und Therapie des einzelnen Behandlungsfalls unabhängig und keinen Weisungen des Krankenhausträgers unterworfen. Das Wohl der Patienten und die Versorgung der Bevölkerung mit medizinisch notwendigen Leistungen müssen stets im Vordergrund stehen.
- Zielvereinbarungen zwischen Krankenhausträgern und Chefärzten mit ökonomischen Inhalten sind unter der Beachtung der berufsrechtlichen Regelungen grundsätzlich legitim und sachgerecht, was auch vom Gesetzgeber anerkannt wird.
- Zielvereinbarungen im Krankenhaus müssen stets mit der notwendigen Sensibilität gehandhabt werden. Die zu vereinbarenden Ziele sind mit Augenmaß so auszuwählen, dass der Chefarzt durch eigene Anstrengungen maßgeblichen Einfluss auf die Zielerreichung ausüben kann.
- Finanzielle Anreize für einzelne Operationen/Eingriffe oder Leistungen dürfen nicht vereinbart werden, um die Unabhängigkeit der medizinischen Entscheidung zu sichern.“
Diese Empfehlungen sind inzwischen in Musterverträge eingegangen. Halten sich die Krankenhäuser nicht daran, sollen die kritischen Abweichungen öffentlich gemacht werden.
Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied von Transparency International Deutschland, rügte vor dem Gesundheitsausschuss die von der DKG und der BÄK erarbeiteten vier Empfehlungen für Chefarzt-Musterverträge. Diese seien „völlig unzureichend“. Der Gesetzgeber habe „den Bock zum Gärtner gemacht“. Für die Krankenhausträger stünden die wirtschaftliche Interessen weit im Vordergrund. Somit gebe es „großes Verführungspotenzial“, die Chefärzte anzureizen, Dinge zu tun, „die nicht unbedingt dem Wohl des Patienten dienen“.
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DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum gab daraufhin zu bedenken, dass es „ein gesetzliches Wirtschaftlichkeitsgebot für Krankenhäuser“ gebe. Der Gesetzgeber habe aber vorgegeben, Einzelleistungen in den Verträgen nicht mehr vorzusehen. Die Klinikberichte des Jahres 2013 würden im Januar 2015 veröffentlicht. Einzelleistungsverträge müssten dann dort auftauchen. Daher sei es sinnvoll, bis dahin abzuwarten und zu sehen, ob aufgrund der Empfehlungen „das Ganze funktioniert“. Sollte sich schon früher erweisen, dass es nicht funktioniere, könne auch schon vorher über Veränderungen gesprochen werden, um auszuschließen, dass die gesetzlichen Ziele umgangen werden.
Die Bundesärztekammer sei bereit, sofort mit der Krankenhausgesellschaft in Nachverhandlungen einzutreten, betonte daraufhin BÄK-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rochell. Es gebe vereinzelt Chefarztverträge, in denen sogar von einem Bonus für bestimmte „Stückzahlen“ bei Operationen die Rede sei. Dies stehe im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers. Rochell sprach sich dafür aus, die Empfehlungen „nachzuschärfen“.
Hans-Fred Weiser, Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte (VLK), berichtete dem Ausschuss von der gemeinsamen Koordinierungsstelle von BÄK und VLK, die auf Wunsch der betroffenen Ärzte alte und neue Chefarztverträge überprüfe. Bisher seien 41 Verträge durchgesehen worden, darunter 30 Neuverträge. Es habe sich gezeigt, dass „eine Reihe von Klinikträgern“ die Empfehlungen „munter“ ignorierten und nach wie vor auf „Einzelleistungssteigerung“ abzielten. Andere hätten eine Umgehungsstrategie eingeschlagen. Weiser forderte deshalb, die Empfehlungen punktuell anzupassen.
Das Expertengespräch habe gezeigt, dass es bei den Chefarztvertragsmustern weiteren Klärungsbedarf gebe, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Rudolf Henke, in Anschluss an die Sitzung dem Deutschen Ärzteblatt. Der CDU-Politiker, zugleich Vorsitzender BÄK-Krankenhausgremien, forderte die Deutsche Krankenhausgesellschaft auf, Rochells Einladung zu baldigen Nachverhandlungen anzunehmen: „Es werden offenbar weiterhin Chefarztverträge abgeschlossen, in denen ökonomische Ziele mit Bonuszahlungen verknüpft werden. Das ist nicht im Sinne des Gesetzgebers. Deshalb sollten wir nicht das ganze Jahr abwarten, bevor nachgebessert wird.“
Mittelfristiges Ziel müsse es darüber hinaus sein, dass sich Bundesärztekammer, Marburger Bund, Verband der leitenden Krankenhausärzte und Deutsche Krankenhausgesellschaft wieder auf ein gemeinsames Vertragsmuster für Chefarztverträge einigten. © JF/aerzteblatt.de

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