Ärzteschaft
Ärztinnen klagen über schlechtere Karrierechancen
Donnerstag, 29. Mai 2014
Düsseldorf – Viele Ärztinnen sehen sich im Beruf weiterhin benachteiligt. Das geht aus einer Umfrage des Hartmannbundes (HB) hervor, an der sich 2.800 Medizinstudentinnen und junge Ärztinnen beteiligten. So glaubt etwa die Hälfte der Befragten, für ihre Karriereziele auf Kinder und Familie verzichten zu müssen. Und zwei Drittel, die eine Position als Oberärztin oder Chefärztin anstreben, sind davon überzeugt, nicht die gleichen Chancen auf eine erfolgreiche Karriere zu haben wie ihre männlichen Kollegen.
5 Fragen an Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes
DÄ: Herr Dr. Reinhardt, was hat den Anstoß dafür gegeben, dass sich der Hartmannbund mit den Karrierechancen von Ärztinnen beschäftigt?
Reinhardt: Tatsache ist, dass zunehmend Frauen Medizin studieren. Seit Jahren beschäftigen wir uns intensiv bei Deutschen Ärztetagen und in anderen Gremien mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da war es unser Wunsch, einmal nachzuhören, ob das, was wir dort tun, schon zu Ergebnissen geführt hat, wie die reale Situation aussieht. Daher auch die zunächst einmal etwas provokant gestellte Frage: „Haben Frauen eine faire Chance in der Medizin?“
Es ist sicher nicht einfach, mit einer Teilzeitbeschäftigung Führungspositionen zu bekleiden. Dem müssen wir uns stellen. Das wird sicherlich die Herausforderungen an den Schnittstellen erhöhen. Insofern ist die interkollegiale Kommunikation ein ganz wichtiges Thema. Aber wenn Frauen, die diesen Beruf ergreifen, eine faire Chance haben sollen, tatsächlich mit Ambitionen den Beruf anzugehen, müssen wir uns etwas einfallen lassen.
DÄ: Viele Ärztinnen haben geantwortet, dass sie glauben, nicht dieselben Karrierechancen zu haben wie Männer. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?
Reinhardt: In dieser drastischen Form hat uns das überrascht. Das hätten wir eigentlich nicht mehr erwartet, jedenfalls nicht in dieser Größenordnung. Das wird uns veranlassen, uns dem Thema in der öffentlichen Debatte und auch in der innerärztlichen Debatte weiter zu widmen.
Die Ergebnisse sind allerdings noch ganz frisch. Die müssen wir im Hartmannbund jetzt erst einmal debattieren und uns überlegen, wie Lösungsmöglichkeiten aussehen könnten. Da muss man sich zum Beispiel auch Krankenhäuser anschauen, die im Sinne eines Best Practice Modells diese Dinge bereits gut organisiert haben. Von solchen Erfahrungen kann man durchaus profitieren.
aerzteblatt.de
DÄ: Sie haben nach Bekanntwerden der Umfrageergebnisse gesagt, dass auch die Arbeitgeber gefordert sind, für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen. Was können diese tun?
Reinhardt: Ich kenne zum Beispiel ein Modell aus den Städtischen Kliniken Köln, wo sich zwei Kolleginnen eine Oberarztstelle teilen. Die beiden organisieren ihre Arbeit völlig selbstständig und haben ein großes Maß an Autonomie. Entscheidend ist, dass die Patientenversorgung auf vernünftigem Niveau qualifiziert stattfindet und auch die Mitarbeiter qualifiziert geführt werden. Bei zwei akademisch ausgebildeten Frauen, die qualifiziert sind, eine Oberarztfunktion zu bekleiden, darf man ja wohl darauf vertrauen, dass beide in der Lage sind, sich so zu organisieren, dass das klappt. Insofern könnten die Dezentralisierung von „Verantwortungsorganisation“ und mehr Autonomie eine Lösung sein.
DÄ: Was können Verbände wie der Hartmannbund tun, um Frauen zu fördern?
Reinhardt: Wir fühlen uns erstmal als politische Plattform für solche Forderungen. Wir sind als Sprachrohr in dieser Hinsicht sicherlich wertvoll – im Rahmen des innerärztlichen Dialogs, aber auch gegenüber Krankenhausträgern und Krankenhausgesellschaften. Darum glaube ich schon, dass die Mitglieder im Hartmannbund, die sich an der Umfrage beteiligt haben, spüren und sehen werden, dass sich aus der Teilnahme etwas entwickeln wird.
DÄ: Kurz nachdem der Hartmannbund die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht hat, hat der Deutsche Ärztinnenbund seine Forderung nach einer Frauenquote in der Medizin erneuert. Ist das eine Lösung?
Reinhardt: Die Vorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes, Regine Rapp-Engels, ist Mitglied im Hartmannbund. Sie wusste von dieser Umfrage und auch von dem Ergebnis. Von daher lief das wohl nicht zufällig synchron. Ich selbst bin kein ausgesprochener Quoten-Fan, weil ich finde, das Leben ist etwas dynamischer als Quoten, die zwanghaft und sklavisch erfüllt werden müssen. Ich finde es viel besser und viel klüger, wenn man mit den Betroffenen überlegt – und dazu könnte der Deutsche Ärztinnenbund aus Sicht der Kolleginnen inhaltlich viel beitragen -, wie Organisationsmodelle aussehen können, die Frauen fördern und sicherstellen, dass man trotz Phasen der Teilzeittätigkeit Führungspositionen erreichen kann.
Hier würde ich im Übrigen nicht zwischen den Geschlechtern trennen. Das Thema Teilzeittätigkeit betrifft junge Familien. Es müsste möglich sein, dass beide Partner je nach Gusto die Möglichkeit haben, vorübergehend mal in Teilzeit zu arbeiten. Es mag vielleicht schwierig sein, Teilzeit zu arbeiten oder in Elternzeit zu gehen, wenn sie Chefarzt in der Chirurgie sind. Da muss man Augenmaß behalten. Aber eine Oberärztin in der Onkologie wird das können, wenn es vernünftig organisiert ist. Man muss auf die einzelne Situation gucken. Es wird nicht überall funktionieren können, aber es wird an mehr Stellen funktionieren, als wir uns das heute vorstellen. © HK/aerzteblatt.de

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