Ärzteschaft
Arztlohn: KBV sieht deutlichen Nachholbedarf
Dienstag, 15. Juli 2014
Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) will in den anstehenden Honorarverhandlungen für 2015 eine Anhebung des sogenannten kalkulatorischen Arztlohns fordern. Für das Jahr 2008 sei dieser in Höhe eines Oberarztgehaltes von 105.000 Euro festgelegt worden, erinnerte die KBV heute. Mittlerweile seien die Gehälter der Krankenhausärzte jedoch durch Tariferhöhungen deutlich gestiegen.
„Wenn man sich die Zahlen anschaut, könnte man einen Nachholbedarf von mittlerweile nahezu drei Milliarden Euro generieren“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen. Denn das durchschnittliche Jahresgehalt eines Oberarztes liege inzwischen bei etwa 133.000 Euro. „An dieser Honorarsteigerung haben die niedergelassenen Kollegen keinen Anteil genommen. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf, den wir auch einfordern werden. Dass das nicht in einem Schritt gelingen kann, ist klar“, so Gassen.
Hintergrund der Forderung: Der heutige Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) wurde auf Basis bestimmter Annahmen zur ärztlichen Arbeitszeit und zum ärztlichen Einkommen kalkuliert. Für das Jahr 2008 ging man damals von einem Referenzeinkommen von 105.000 Euro – entsprechend einem Oberarztgehalt – aus. Dieses Referenzeinkommen sollte nach Abzug der Betriebskosten für einen niedergelassenen Arzt erreichbar sein, sofern er etwa 51 Wochenarbeitsstunden lang gesetzlich Krankenversicherte versorgt.
ZI: Verzicht auf Anpassung wirkt sich negativ auf Praxisinvestitionen aus
Welche Folgen die unterlassene Anpassung hat, haben vor kurzem Thomas Czihal und Dominik von Stillfried vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI) im „Deutschen Ärzteblatt“ beschrieben. „Nach der bisherigen Entscheidungspraxis des Erweiterten Bewertungsausschusses reicht das Preisniveau im EBM bis heute nicht aus, um das Referenzeinkommen zu erreichen“, so Czihal und von Stillfried.
Dies führe zu einer schleichenden Abwertung ärztlicher Arbeitszeit in der Praxis. Weil nach ihrer Darstellung auch das unternehmerische Risiko der niedergelassenen Ärzte in den EBM-Kalkulationen zu wenig berücksichtigt wird, ergeben sich negative Effekte, beispielsweise im Hinblick auf notwendige Praxisinvestitionen.
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„Der Verhandlungsansatz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist völlig richtig“, betonte der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bunds, Dirk Heinrich. „Wenn der ambulante Bereich beim Ringen um den knappen ärztlichen Nachwuchs nicht ins Fachkräfte-Abseits gegenüber den Kliniken geraten will, müssen die Verdienstmöglichkeiten für Praxisärzte attraktiver werden.“ Es gehe aber nicht nur ums Geld, stellte Heinrich klar: „Auch die kalkulierte Arbeitszeit pro Arzt muss den Realitäten angepasst werden. Statt weit über 50 Stunden geht der Trend auch für Ärzte hin zur 40-Stunden-Woche.“
Heinrich: Wagnis eines Investments muss sich für Niedergelassene lohnen
Der NAV-Vorsitzende forderte darüber hinaus feste Preise für ärztliche Leistungen: „Nur wenn es einen feststehenden Preis für alle ärztlichen Leistungen gibt, haben Praxisgründer die Planungssicherheit, die sie als Betreiber eines Wirtschaftsunternehmens brauchen. Denn schließlich muss sich das Wagnis eines Investments auch für den niedergelassenen Arzt lohnen. Es läuft etwas schief, wenn Klinikkonzerne Renditeziele von 15 und mehr Prozent ausgeben und Praxisärzten entsprechende Kapitalrenditen verweigert werden.“
Die nächsten Honorarverhandlungen für die rund 150.000 Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten für das Jahr 2015 beginnen Mitte August. In den Verhandlungen auf Bundesebene legen KBV und GKV-Spitzenverband die Höhe des Orientierungswertes fest, der maßgeblich den Preis ärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen bestimmt. Außerdem werden für alle KV-Bereiche die krankheits- und altersbedingten Veränderungsraten berechnet.
© EB/Rie/aerzteblatt.de

Nimmt die KBV Brutto für Netto oder einfach "Bretto"?
Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2012 wedelte Freiherr Johann-Magnus von Stackelberg als GKV-Spitzenverbands-Kassenvertreter (Spibu) mit einem völlig untauglichen Schweizer PROGNOS-Gutachten und verlangte eine K ü r z u n g des bundesweiten Orientierungspunktwertes um M i n u s 7 Prozent bei allen Vertragsärzten und -Psychotherapeuten. Im krassen Gegensatz zu dieser GKV-Kassen-"Expertise" stand damals eine vom KBV-Vorsitzenden, Dr. med. Andreas Köhler, betriebswirtschaftlich begründete Forderung nach einer E r h ö h u n g von P l u s 11 Prozent beim Orientierungspunktwert seitens der KBV. In BWL-Klartext übersetzt, bedeutete dies bei durchschnittlichen 50 Prozent Kosten in den Vertragspraxen für jede/n Vertragsarzt/-ärztin plus 5,5 Prozent als Mehreinnahmen. Der Schiedsspruch des damaligen "unabhängigen" Vorsitzenden und Gesundheitsökonomen Prof. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg/Essen war dann jedoch eine marginale plus 0,9 Prozent Steigerung des Orientierungspunktwertes.
2013 wiederholte sich eine ähnliche Geschichte: Bei einer von der KBV fantasievoll angenommenen "Preissteigerungsrate" von 0,08 Prozent (!) lag die KBV-Forderung bei lächerlichen plus 2,6 Prozent (vgl. http://www.springermedizin.de/wie-der-orientierungswert-schoen-gerechnet-wird/4692630.html), mit der man dann ebenfalls baden ging.
Die Spitzenkräfte im GKV-Spitzenverband Bund (SpiBu) der gesetzlichen Krankenkassen haben in ihren wohltemperierten, nach Feng-Shui ausgerichteten Büroetagen und einem vertraglich abgesicherten Dienstverhältnis als Leitende Angestellte keinen blassen Schimmer von der grundsätzlich anderen Welt der selbstständig ("selbst und ständig") niedergelassenen Vertragsärzteschaft als Haus-, Fach- und Spezialärzte.
Beim berühmt-berüchtigten Oberarztgehalt "vergisst" aber auch die KBV mit schönster Regelmäßigkeit, dass Klinik-Arbeitgeber dabei einen Lohn- und Nebenkostenanteil von 25-30Tausend Euro pro Jahr z u s ä t z l i c h einkalkulieren müssen, die ein selbständiger Praxisinhaber selbstverständlich a l l e i n e extra aufbringen muss, um auf ein äquivalentes Gehaltsniveau zu kommen. Deshalb macht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine "Milchmädchen"-Rechnung auf: Der fiktive "kalkulatorische Arztlohn" als durchschnittliches Klinik-Oberarztgehalt von 105.000 Euro, der aus dem Jahr 2008 stammt, und jetzt lt. KBV bei derzeit durchschnittlich 133.000 Euro pro annum liegen soll (Quelle: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/59383), verwechselt erneut Brutto- mit Nettogehalt.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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