Medizin
Neuer Prüfbericht zu Organtransplantationsprogrammen vorgelegt
Dienstag, 30. September 2014
Berlin – Nach den Skandalen um die Organvergabe und der Überprüfung von Lebertransplantationsprogrammen in Deutschland fanden die Prüfungs- und die Überwachungskommission von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen nur wenige Auffälligkeiten in den von ihnen untersuchten weiteren Transplantationsprogrammen. In ihrem Tätigkeitsbericht, der heute in Berlin vorgestellt wurde, informieren die Kommissionen über ihre Arbeit zwischen September 2013 und August 2014.
In diesem Zeitraum prüften die Kommissionen 33 Transplantationszentren beziehungsweise 60 Programme auf der Grundlage des seit 2012 gesetzlich ausgeweiteten Kontrollsystems im Transplantationswesen. Überprüft wurden dabei Transplantationen, die zwischen den Jahren 2010 bis 2012 erfolgten – also noch vor den Gesetzesänderungen. Darauf verwiesen die Kommissionsvorsitzenden, Anne-Gret Rinder, Vorsitzende Richterin am Kammergericht i. R., und der Arzt Hans Lippert.
Nierentransplantationen: Keine Anhaltspunkte für systematische Richtlinienverstöße
Ihnen zufolge konnten im Bereich der Nierentransplantation keine Anhaltspunkte für systematische Richtlinienverstöße oder Manipulationen bei den Prüfungen gefunden werden. Es wurden lediglich vereinzelte unrichtige Mitteilungen gegenüber der Vermittlungsstelle Eurotransplant festgestellt, die sich auf das Datum der Erstdialyse bezogen und auf Dokumentationsfehler zurückzuführen waren. Auch bei den Pankreas– und kombinierten Nieren-Pankreastransplantationen haben die Kommissionen keine Auffälligkeiten festgestellt.
Unregelmäßigkeiten gab es allerdings bei den Herztransplantationsprüfungen im Herzzentrum Berlin. „Bei den insgesamt 82 überprüften Herztransplantationen wiesen 14 Anträge auf eine dringend notwendige Transplantation (HU-Anträge) Auffälligkeiten auf, die den Schluss rechtfertigen, dass es sich wahrscheinlich um Manipulationen handelt“, erklärte Rinder. Bei den Falschangaben hätte es sich hauptsächlich um die Verabreichung und Dosierung von Katecholaminen gehandelt, die dazu dienten, eine HU-Listung zu erreichen. Jedoch hätte es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Privatpatienten bevorzugt transplantiert worden seien, sagte Rinder.
Prüfungen werden nur einen Tag vorher angekündigt
Die Prüfungen werden meist von jeweils zwei Mitgliedern der Prüfungskommission oder der Überwachungskommission sowie zwei für das jeweilige Transplantationsprogramm sachverständigen unabhängigen Ärzten vorgenommen und nur einen Tag vorher angekündigt, erläuterte Lippert. Weiterhin hätten Vertreter der zuständigen Landesministerien an den Prüfungen teilgenommen. „Sofern sich im Zuge einer Prüfung Auffälligkeiten ergeben haben, die weitere Untersuchungen erforderlich machten, sind weitere Prüfungen erfolgt“, sagte er mit Verweis auf die Herzprüfungen.
Die Ergebnisse der Prüfungen werden in die Richtlinienarbeit der Ständigen Kommission Organtransplantation einfließen, ergänzte deren Vorsitzender, Hans Lilie. „Wir arbeiten derzeit intensiv an der Entwicklung eines medizinischen Scores für die Herzallokation, ähnlich wie wir ihn für die Leber- oder die Lungentransplantation bereits haben“, berichtete der Jurist. Überdies habe die Kommission eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinien für die Wartelistenführung und die Organvermittlung zur Lebertransplantation, zur Nierentransplantation und zur Pankreastransplantation auf den Weg gebracht.
Regelverschärfungen und Kontrollmechanismen greifen
Nach Ansicht von Ruth Rissing-van Saan, Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, greifen bereits die Regelverschärfungen und Maßnahmen für mehr Kontrolle und Transparenz. Sie berichtete von 162 Eingaben an die Vertrauensstelle, die Auffälligkeiten im Bereich der Organspende und der Organtransplantation entgegennimmt. „Man kann anonym Kontakt aufnehmen und auch anonym bleiben“, erläuterte sie. Seit Anfang 2014 hätte es auch diverse Anfragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Hirntoddiagnostik gegeben. Zu der in Einzelfällen vermeintlich fehlerhaft durchgeführten Hirntoddiagnostik hätten die Überwachungs- und Prüfungskommission nähere Überprüfungen beschlossen.
Anfang 2015 wollen die Kommissionen die Lungentransplantationsprogramme überprüfen, gab Rinder bekannt. Im kommenden Herbst dann soll die Überprüfung aller Transplantationszentren und -programme durch die Kommissionen abgeschlossen sein. Vorgesehen ist, dass alle 48 Transplantationszentren mit ihren 141 Transplantationsprogrammen mindestens einmal in einem Zeitraum von 36 Monaten vor Ort geprüft werden. © ER/aerzteblatt.de

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