Medizin
Wie Marihuana das Gehirn verändern könnte
Mittwoch, 12. November 2014
Dallas – Ein langjähriger und hochdosierter Konsum der Cannabisdroge könnte Auswirkungen auf jenen Teil des Gehirns haben, der für kognitives und rationales Verhalten zuständig ist. US-Forscher berichten in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS 2014, doi:10.1073/pnas.1415297111) über eine Volumenabnahme der grauen Hirnsubstanz, also der Nervenzellen im orbitofrontalen Cortex, während die Verbindungen in der weißen Hirnsubstanz verstärkt waren.
Beim Cannabiskonsum scheiden sich auch unter Hirnfoschern die Geister. Die einen halten die Droge, deren Inhaltsstoff THC „eigene“ Rezeptoren im Gehirn hat, im Grunde genommen für ein Pharmakon. Die anderen sehen darin ein Gift, das auf Dauer das Gehirn irreversibel schädigt. Die Ergebnisse der Hirnforschung sind nicht eindeutig.
In einigen Untersuchungen konnten Veränderungen nachgewiesen werden, in anderen nicht. Francesca Filbey vom Center for BrainHealth der Universität von Texas in Dallas hat jetzt eine Gruppe von 75 Probanden im Alter von durchschnittlich 28 Jahren untersucht, die seit zehn Jahren zuletzt elfmal in der Woche oder dreimal am Tag Cannabis konsumiert hatten. Als Vergleichsgruppe dienten 62 Gleichaltrige ohne Drogenerfahrungen.
Die Forscher untersuchen die Gehirne mit einem 3-Tesla-Scanner in drei unterschiedlichen Modi. Mittels hochauflösender T1-gewichteter Bilder bestimmten sie das Volumen der grauen Hirnsubstanz, mit einer funktionellen Kernspintomographie überprüften sie die „Konnektivität“ des Gehirns, und mit der Diffusions-Tensor-Bildgebung wurden die einzelnen Nervenfasern der weißen Substanz dargestellt.
Die Volumenuntersuchung lenkte das Interesse auf den orbitofrontalen Cortex. In diese für die kognitiven Leistungen und die Entscheidungsprozesse zuständigen Zentren wiesen die langjährigen Cannbis-Konsumenten eine gewisse Abnahme in der grauen Hirnsubstanz auf im Vergleich zur Kontrollgruppe. Auch in den Nervenverbindungen vom und zum orbitofrontalen Cortex gab es Unterschiede. Die „Konnektivität“ war allerdings nicht vermindert, sondern verstärkt, was besonders im anterioren Forceps erkennbar war. Diese Struktur ist Teil des Corpus callosum, der die Hemisphären des Großhirns verbindet.
Filbey deutet die vermehrte „Konnektivität“ als eine kompensatorische Steigerung der Hirnfunktion in dem Versuch, die Defizite in der grauen Hirnsubstanz auszugleichen - was nur anfangs gelinge. Die Diffusions-Tensor-Bildgebung ergab nämlich, dass die Nervenfasern nur in den ersten Jahren des Konsums zunehmen, es später aber zu einem Abfall kommt. Auch zum Alter der Probanden beim Erstkonsum und den Auswirkungen des Konsums im „Marijuana Problem Survey“ bestanden Assoziationen, die für Filbey nahelegen, dass vor allem ein früh einsetzender und hochdosierter Konsum das Gehirn schädigt.
Beweisen kann dies eine einmalige Untersuchung nicht. Es bleibt weiter möglich, dass die Hirnveränderungen nicht Folge, sondern Auslöser des Konsums waren. Tatsächlich kam in einer früheren prospektiven Studie heraus, dass Jugendliche, die später zur Cannabisdroge griffen, schon vorher Volumendefizite im orbitofrontalen Cortex hatten (Biological Psychiatry 2012; 71: 684–692).
© rme/aerzteblatt.de

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