Medizin
Anti-Aging: FDA fordert Hinweis auf unklare kardiovaskuläre Risiken von Testosteron
Mittwoch, 4. März 2015
Silver Spring – Die US-Arzneibehörde FDA versucht, einer Flut von unkritischen Verordnungen von Testosteron an ältere US-Amerikaner durch eine Verschärfung der Fachinformationen zu begegnen. Dort sollen die Hersteller jetzt ausdrücklich auf mögliche kardiale Risiken hinweisen. Die bisherigen Studienergebnisse sind jedoch widersprüchlich.
Die Drug Safety Communication zitiert eine Umfrage, nach der die Zahl der US-Amerikaner, die eine „Testosteron-Ersatz-Therapie“ (TRT) betreiben, von 1,3 Mio. in 2009 auf 2,3 Mio. in 2013 gestiegen ist. Etwa 70 Prozent der Anwender sind zwischen 40 und 64 Jahre alt. In den meisten Fällen geben die Ärzte als Grund für die Verordnung eine „testikuläre Hypofunktion“ an.
Doch Analysen der Abrechnungsdaten zeigen, dass bei 20 Prozent der Patienten der Testosteronspiegel gar nicht bestimmt wurde. Die Leitlinien fordern eine zweimalige Kontrolle der Hormonkonzentration, bevor die Diagnose eines Hypogonadismus gestellt werden kann. Die FDA weist darauf hin, dass die Präparate nur zur Behandlung von Patienten zugelassen sind, bei denen eine Funktionsstörung in Hoden, Hypophyse oder Gehirn als Ursache des Hypogonadismus nachgewiesen wurde. Dies dürfte selten der Fall sein. Die überwiegende Zahl der Verordnungen erfolgt „off-label“.
Die Bedenken der FDA betreffen vor allem die Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-Ssystem. Hierzu wurden in den letzten Jahren fünf Beobachtungsstudien und zwei Meta-Analysen durchgeführt. Die Ergebnisse waren alles andere als eindeutig. In zwei Beobachtungsstudien war die TRT mit einem Anstieg an Herzkreislauferkrankungen assoziiert: Vigen et al. (JAMA 2013; 310: 1829-36) ermittelten einen signifikanten Anstieg des Composite aus Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod mit einer Hazard-Ratio (HR) von 1,29 (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,04-1,58). Laut Finkle et al. (PLOS One 2014; 9: e85805) kommt es bereits in den 90 Tagen nach der Erstverordnung zu einem Anstieg von nicht-tödlichen Herzinfarkten: relatives Risiko 1,36 (1,03-1,81).
Ganz anders waren die Ergebnisse aus zwei weiteren Beobachtungsstudien. Laut Shores et al. (J Clin Endocrinol Metab 2012; 97: 2050-8) hatten Veteranen mit niedrigem Testosteron-Spiegel, die eine TRT betrieben, ein signifikant niedrigeres Sterberisiko als Veteranen, die ihren niedrigen Testosteronspiegel nicht behandeln ließen: Hazard Ratio 0,61 (0,42-0,88). Ähnlich fiel eine Analyse von Muraleedharan et al. (Eur J Endocrinol 2013; 169: 725-33) an Männern mit Typ 2-Diabetes aus: Sie ermittelten für Patienten mit niedrigen Testosteronwerten, die keine TRT betrieben, ein erhöhtes Sterberisiko: Hazard Ratio 2,30 (1,30-3,90). Die fünfte Studie (Baillargeon et al. (Ann Pharmacother. 2014; 48: 1138-1144) konnte für Medicare-Begünstigte, die eine TRT betrieben, nur eine tendenziell niedrigere Rate von Hospitalisierungen nachweisen: Hazard Ratio 0,84; (0,69-1,02).
Auch die beiden Meta-Analysen, die die Daten von randomisierten klinischen Studien zusammenfassen, ergeben kein klares Bild: Die erste Untersuchung von Xu et al. (BMC Medicine 2013; 11: 108) ermittelte zwar eine signifikant höhere Rate von kardiovaskulären Nebenwirkungen unter der Therapie mit Testosteron: Odds Ratio 1,5 (1,1-2,1). Doch die Studie weist laut FDA methodische Mängel auf. Die spätere Meta-Analyse von Corona et al. (Expert Opin Drug Saf. 2014; 13: 1327-51) konnte die Ergebnisse von Xu et al. nicht reproduzieren.
Auch diese zweite Meta-Analyse weist nach Einschätzung der FDA methodische Fehler auf. Sie resultieren in den beiden Meta-Analysen beispielsweise aus der Tatsache, dass die kardiovaskulären Auswirkungen nicht zu den Studienzielen gehörten und deshalb möglicherweise nicht alle Ereignisse erfasst wurden.
Die FDA verlangt jetzt von den Herstellern, dass sie auf diese unklare Datenlage hinweisen, die ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko nicht ausschließen. Außerdem wird noch einmal klar gestellt, dass eine Behandlung nur dann erfolgen sollte, wenn die Testosteronspiegel nachweislich vermindert sind und dafür medizinische Ursachen vorliegen. © rme/aerzteblatt.de

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