Medizin
Fortschritte bei der individualisierten Immuntherapie von Krebserkrankungen
Montag, 27. April 2015
Mainz – Deutsche und amerikanische Wissenschaftler sind der Therapie von Krebserkrankungen mit individualisierten Impfstoffen einen Schritt näher gekommen. Die Arbeitsgruppe des biopharmazeutischen Forschungsinstituts TRON (Translationale Onkologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gGmbH), der Biotechfirma Biontech, der Universitätsmedizin Mainz und des US-amerikanischen La Jolla Instituts für Allergie und Immunologie haben entsprechende Ergebnisse jetzt in der Zeitschrift Nature (DOI:10.1038/nature14426) veröffentlicht.
„Wir wissen heute, dass sich unser Immunsystem zwar sehr wohl mit einem Tumor auseinandersetzt“, erläutert der Mainzer Wissenschaftler Ugur Sahin. Dies reiche in der Regel aber nicht aus, um den Tumor zu kontrollieren. Eine naheliegende Strategie sei daher, das Immunsystem derart zu aktivieren, dass es in der Lage sei, das Tumorwachstum zu begrenzen und bösartige Zellen zu zerstören.
Ansatz der Arbeitsgruppe ist, dass Tumoren sich genetisch unterscheiden – sie weisen ein individuelles Muster von Mutationen auf. Der neue Ansatz der individualisierten Immuntherapie bei Krebs zielt darauf ab, diese Mutationen in einem Tumor zu identifizieren und mit diesem Bauplan einen synthetischen Impfstoff herzustellen, der für den speziellen Tumor und damit den Patienten maßgeschneidert ist. Dieser wiederum soll das körpereigene Immunsystem anleiten und trainieren, den Tumor gezielt zu bekämpfen.
„Die Umsetzung dieses vielversprechenden Ansatzes wurde bisher dadurch erschwert, dass die Mutationen eines Tumors von Patient zu Patient extrem unterschiedlich sind, und es daher sehr aufwändig ist, maßgeschneiderte Impfstoffe ‚on demand‘ herzustellen“, erläutert Sahin. Die Arbeitsgruppe meint nun, dafür einen praktikablen Weg gefunden zu haben. „Wir beschreiben sowohl grundlagenimmunologische Erkenntnisse als auch technologische Fortschritte, die uns erlauben Krebspatienten einer individualisierten Immuntherapie zuzuführen“, so Sahin.
Konkret haben sich die Wissenschaftler in präklinischen Versuchen zunächst die Mutationen bei drei unterschiedlichen Tumorarten angeschaut und mittels Sequenzierung ihren genetischen Bauplan identifiziert. Dabei konnten die Mainzer Forscher zeigen, dass bis zu 20 Prozent aller Mutationen eine Immunantwort auslösen können.
In einem zweiten Schritt haben sich die Wissenschaftler gefragt, wie sie diese neue Erkenntnis praktisch umsetzen und die relevanten Mutationen möglichst einfach und sicher identifizieren können. Hierzu haben sie einen bioinformatischen Algorithmus entwickelt, der dies ermöglicht. „Wenn erst einmal die relevanten Mutationen bekannt sind, können wir auf dieser Basis mit vertretbarem Aufwand ein Arzneimittel maßschneidern“, so Sahin.
Dabei nutzen die Wissenschaftler Ribonukleinsäuren (mRNA) als Impfstoffsubstanz. Verwendeten die Forscher nicht nur die genetische Information einer einzelnen Mutation zur Synthese, sondern von zehn verschiedenen Mutationen, konnten sie den Tumor effektiver angreifen. Tatsächlich zeigte eine Anwendung im Tiermodell eine effektive Rückbildung und Heilung des Tumors.
Auch in menschlichen Tumoren konnten die Forscher übereinstimmende Arten und Häufigkeiten von relevanten Mutationen feststellen.
Die Erkenntnisse aus den Studien werden im Augenblick im Rahmen einer internationalen klinischen Studie zum malignen Melanom mit Beteiligung des Hautkrebszentrums der Universitätsmedizin Mainz unter der Leitung von Carmen Loquai geprüft. Weitere klinische Studien sind laut der Arbeitsgruppe in Planung.
© hil/aerzteblatt.de

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