Medizin
MSM: Resistente Shigellen als sexuell übertragbare Diarrhö
Mittwoch, 29. April 2015
Hinxton – Shigellen, die in Ländern mit schlechten sanitären Verhältnissen verbreitet sind, können in hochentwickelten Ländern unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), Epidemien auslösen. Eine Studie in Lancet Infectious Diseases (2015; doi: 10.1016/S1473-3099(15)00002-X) zeigt, dass sich ein Shigellen-Stamm international ausgebreitet hat.
Shigellen werden fäkal-oral übertragen. Schon 10 bis 200 Keime können eine wässrige Diarrhö auslösen, die typischerweise in den ersten drei Tagen nach der Aufnahme einsetzt. In den Industrieländern werden die meisten Erkrankungen bei Reisen in Hoch-Endemie-Länder erworben (eine Übertragung ist aber auch im Inland nicht auszuschließen, etwa im Sommer im Badesee).
Seit etwa den 1970er Jahren ist es immer wieder zu Epidemien unter MSM gekommen. Das Robert Koch-Institut registrierte beispielsweise 2001 und 2004 kleinere Ausbrüche in Berlin. Auch aktuell dürfte es unter MSM immer wieder Erkrankungen geben. Ein Hinweis sind die in den Stadtstaaten im Vergleich zu Flächenländern höheren Meldezahlen zu „autochthonen“ Infektionen.
Ein Ausbruch in England und hier vorzugsweise in London hat Kate Baker vom Wellcome Trust Sanger Institute in Hinxton bei Cambridge veranlasst, 331 Isolate, die in 29 Ländern seit 1995 archiviert wurden, genetisch näher unter die Lupe zu nehmen. Dabei zeigte sich, dass viele Infektionen unter MSM durch einen Stamm von S. flexneri 3a ausgelöst wird, der in Europa, Australien und Kanada verbreitet ist und sich genetisch von Stämmen unterscheidet, die üblicherweise auf Reisen in Hoch-Endemie-Länder als „Lebensmittelvergiftung“ erworben werden.
Die Untersuchung der Resistenzgene lieferte einen indirekten Hinweis auf eine Übertragung unter MSM. Statt gegen Ciprofloxacin, dem häufigsten bei Shigellen eingesetzten Antibiotikum ist S. flexneri 3a häufig gegen Azithromycin resistent. Azithromycin wird häufig zur Behandlung von sexuell übertragbaren Erkrankungen wie Gonorrhoe, Syphilis und Chlamydien eingesetzt. Auch viele MSM, die in Großbritannien mit Shigellen infiziert waren, hatten diese Medikamente eingenommen.
Public Health England hatte im Januar 2014 auf die Zusammenhänge hingewiesen, die vielen Betroffenen in Deutschland nicht bewusst sein dürften. Eine schwere Durchfallerkrankung innerhalb von drei Tagen nach analen Sexkontakten sollte laut Baker die betroffenen sofort veranlassen, einen Arzt aufzusuchen und einen Stuhltest durchführen zu lassen. Rechtzeitig erkannt, kann eine Shigellenruhr durch eine Antibiotikabehandlung schnell gestoppt werden. Empfohlen wird eine Therapie nach Antibiogramm. © rme/aerzteblatt.de

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