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Medizin

Studie: Narkose kann kognitive Entwicklung von Kleinkindern schädigen

Montag, 8. Juni 2015

dpa

Cincinnati – Kinder, die in den ersten vier Lebensjahren eine Vollnarkose erhalten haben, zeigten in einer Fall-Kontroll-Studie in Pediatrics (2015; doi: 10.1542/peds.2014-3526) eine verlangsamte Sprachentwicklung und leichte Defizite im Intelligenzquotienten, die mit Veränderungen in der grauen Substanz der Großhirnrinde einhergehen.

Inhalationsnarkosen wurden lange Zeit für unbedenklich gehalten, weil die Narkosegase relativ schnell wieder aus dem Körper eliminiert werden. Tierexperimentelle Studien, die Andreas Loepke vom Cincinnati Children's Hospital in den letzten Jahren durchgeführt hat, weisen auf mögliche Nervenzelluntergänge hin, die neurokognitive Beeinträchti­gungen zur Folge hatten.

Jetzt konnte Loepke die Ergebnisse einer Studie zur Sprachentwicklung von Kindern im Alter von 5 bis 18 Jahren auswerten. Bei den Kindern waren zahlreiche neurokognitive Tests und bildgebende Verfahren durchgeführt worden. Loepke stellte in einer Fall-Kontroll-Studie 53 Kinder, die in den ersten vier Jahren eine Vollnarkose erhalten hatten, einer gleich großen Anzahl von Kindern gegenüber, die nicht operiert worden waren.

Kinder, die Inhalationsanästhetika ausgesetzt gewesen waren, schnitten in einem Test zum Hörverstehen im Durchschnitt um 6 Punkte schlechter ab als nicht-exponierte Kinder. Ihr Performance-IQ (bei dem es darum geht, bestimmte Aufgaben in möglichst kurzer Zeit zu erledigen) war im Durchschnitt 6,4 Punkte niedriger als bei nicht-exponierten Kindern. Loepke betont, dass der IQ aller exponierten Kinder im  Normalbereich lag. Die Auswirkungen auf die graue Hirnsubstanz waren deutlich schwächer als in den Tierversuchen. Kinder mit schlechteren Ergebnissen im Sprachverständnis und im Performance-IQ hatten jedoch eine verminderte Dichte der grauen Hirnsubstanz im okzipitalen Cortex und im Kleinhirn.

Loepke wertet dies als eine Bestätigung für seine Ansicht, dass Inhalationsanästhetika die Reifung des Gehirns in den ersten Lebensjahren stören kann. Die Auswirkungen bestanden unabhängig von der Art der Operation. Dennoch ist eine einzelne Fall-Kontroll-Studie nicht beweisend. Loepke fordert deshalb die Durchführung weiterer Studien.

Sollten die Inhalationsanästhetika wie Sevoflurane, Isoflurane oder Halothane, die allein oder in Kombination mit Lachgas verwendet wurden, jedoch die Hirnentwicklung schädigen, dann wären die gesellschaftlichen Folgen beträchtlich. Loepke bezieht sich hier auf Untersuchungen anderer Forscher, nach denen der Verlust von einem Punkt auf der IQ-Skala das lebenslange Ertragspotenzial einer Person um 18.000 US-Dollar vermindert. Ein potenzieller Verlust von 5 oder 6 IQ-Punkten wie in der aktuellen Studie könnte bei geschätzten 6 Millionen Kindern, die jedes Jahr in den USA eine Vollnarkose erhalten, einen potenziellen Ertragsverlust von insgesamt 540 Milliarden US-Dollar bedeuten, rechnet Loepke in der Pressemitteilung vor. © rme/aerzteblatt.de

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