Medizin
Belastungsbedingte Hyponatriämie: Wenn Sportler zu viel Wasser trinken
Mittwoch, 1. Juli 2015
Rochester – Viele Extremsportler trinken mehr als sie an Flüssigkeit während des Wettkampfes verlieren. Ein internationales Forscherteam warnt im Clinical Journal of Sport Medicine (2015; 25: 303-320) vor den Risiken einer lebensgefährlichen belastungsbedingten Hyponatriämie (EAH, Exercise-associated hyponatremia), gegen die es ein einfaches Rezept gibt: Nicht über den Durst trinken.
Viele Extremsportler glauben, dass sie den Flüssigkeitsverlust während eines Wettkampfes aktiv bekämpfen müssen. Für die meisten bedeutet dies, möglichst viel zu trinken. Die Folge sind nicht selten Elektrolytstörungen im Sinne einer EAH. Untersuchungen nach einem Ultramarathon oder einem Ironman-Triathlon ergaben, dass bis zur Hälfte der Teilnehmer eine Hyponatriämie hatte. Bis zu ein Drittel entwickelte Symptome wie Benommenheit, Übelkeit, Kopfschmerzen oder auch Krampfanfälle, die Folge eines Hirnödems sind. Zu ihm kommt es, weil der Natriummangel den osmotischen Druck im Blut senkt. Die Flüssigkeit wird deshalb von den Zellen „aufgesaugt“, deren Volumen im Schädel aber nicht zunehmen kann. Die Folge ist ein gesteigerter Hirndruck.
Eine EAH droht allerdings nicht nur Extremsportlern. Auch nach langen Wanderungen kann es zu einem Natriummangel kommen, wenn dabei zu viel getrunken wird. So hatten in einer Untersuchung 16 Prozent der Besucher des Grand Canyons, die medizinische Hilfe aufsuchten, nicht zu wenig, sondern zu viel getrunken. Die EAH ist nicht einmal an eine körperliche Erschöpfung gebunden.
Das Expertenteam um Tamara Hew-Butler von der Oakland University in Rochester im US-Staat Michigan berichtet in ihrem Consensus Statement von einem Polizisten, der nach einem 19 Kilometer Fahrradtraining eine EAH entwickelte und daran starb. Weitere Todesfälle wurden nach Eigengewichtübungen (Calisthenics) oder nach einer Bikram Yoga-Sitzung berichtet. Beides waren Einzelfälle, in denen die Patienten weitere medizinische Risikofaktoren hatten. Tragisch war auch der Tod von drei US-Football-Spielern, die durch eine vermehrte Flüssigkeitszufuhr belastungsinduzierten Muskelkrämpfen vorbeugen wollten (was aus medizinischer Sicht unsinnig ist).
Viele Sportler überschätzten den Flüssigkeitsverlust beim Sport und sie misstrauen der Warnfunktion ihres Körpers, dem Durst. Der EAH liegt laut Hew-Butler häufig ein „Pushen“ der Flüssigkeitsaufnahme zugrunde. Die wichtigste Empfehlung der Expertin ist deshalb, sich auf die Instinkte zu verlassen und nur so viel zu trinken, wie der Durst fordert.
Marathonläufer sollten sich beispielsweise nicht an jeder Flüssigkeitsstation bedienen. Mineralwässer oder Sport-Getränke könnten eine EAH nicht verhindern, betont die Expertin: Ihr Natriumgehalt ist in der Regel mit 10 bis 38 mmol/l deutlich niedriger als der Natriumgehalt des Blutes (140 mmol/l). Die Bezeichnung „isotonisch“ ist hier missverständlich. Die Isotonie wird häufig durch Zucker erreicht, bezogen auf den Natriumgehalt sind sie hypotonisch.
Die Komplikationen der EAH treten in der Regel erst gegen Ende des Rennens oder in den ersten 24 Stunden danach auf. Sie können durch eine unbedachte Flüssigkeitszunahme verstärkt werden. Die Expertin rät deshalb den Sportlern, auch nach dem Rennen wenig zu trinken. Sportlern mit einer asymptomatischen EAH – sie wird nur per Zufall bei einer Blutuntersuchung nach dem Rennen entdeckt – können mit einer oralen hypertonen Salzlösung behandelt werden.
Die Sportler sollten sich jedoch beim Auftreten neurologischer Symptome sofort in stationäre Behandlung begeben. Patienten mit milder EAH könnten mit einem intravenösen Bolus einer hypertonen Kochsalzlösung oder – unter Beobachtung bis zur ersten Miktion – mit einer oralen Salzlösung behandelt werden. Eine milde EAH ist durch die leichte Benommenheit, Schwindelgefühle, Übelkeit, Schwellungen und eine Gewichtszunahme während des Rennens gekennzeichnet. Bei einer schweren EAH ist auf jeden Fall eine intravenöse Therapie mit einer hypertonen (3 Prozent) Kochsalzlösung erforderlich. Symptome einer schweren EAH sind Kopfschmerzen, Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle oder ein Koma. © rme/aerzteblatt.de

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