Medizin
Diabetesmedikament könnte vor Parkinson schützen
Mittwoch, 22. Juli 2015
London - Orale Antidiabetika aus der Gruppe der Glitazone können Menschen mit Typ 2-Diabetes möglicherweise vor einem Morbus Parkinson schützen. Darauf deutet die Auswertung eines Patienten-Registers in PLOS Medicine (2015; 12: e1001854) hin.
Thiazolidinedione, die nach der Endung der Wirkstoffe (Rosiglitazon, Pioglitazon) auch als Glitazone bezeichnet werden, aktivieren im Zellkern den Rezeptor PPARgamma, der in die Regulation verschiedener Gene eingreift. Dazu gehören nicht nur Gene des Glukosestoffwechsels, die die Insulin-verstärkende Wirkung von Glitazonen erklären.
PPARgamma-Agonisten sind auch in Nervenzellen aktiv, und sowohl In-vitro-Versuche als auch tierexperimentelle Studien weisen darauf hin, dass Glitazone eine „neuroprotektive“ Wirkung haben könnten. Die US-National Institutes of Health lassen derzeit in einer randomisierten Studie an 210 Patienten prüfen, ob eine Behandlung mit Pioglitazon den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflusst. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Glitazone könnten jedoch auch eine präventive Wirkung haben. In randomisierten klinischen Studien wäre sie aufgrund der langsamen Entwicklung des Morbus Parkinson nur mit hohem Aufwand nachweisbar. Epidemiologische Studien können zwar solche klinischen Tests nicht ersetzen. Sie können jedoch Hinweise auf eine mögliche protektive Wirkung liefern. Ruth Brauer von der London School of Hygiene & Tropical Medicine hat hierzu die Daten des UK Clinical Practice Research Datalink befragt, das derzeit Zugriff auf mehr als 13 Millionen elektronischer Krankenakten hat.
Darunter waren 44.597 Diabetiker, die seit 1999, dem Jahr der Einführung von Rosiglitazon, mit Glitazonen behandelt wurden. Von diesen sind seither 175 an einem Morbus Parkinson erkrankt. Die Inzidenz von 6,4 Erkrankungen auf 10.000 Patienten-Jahre war niedriger als in einer Vergleichsgruppe von 120.373 Diabetikern, die den Blutzucker mit anderen oralen Antidiabetika gesenkt hatten. In dieser dreifach größeren Gruppe erkrankten 517 Personen an einem Morbus Parkinson, was eine Inzidenz von 8,8 Erkrankungen auf 10.000 Patienten-Jahre ergibt. Brauer ermittelt eine Inzidenzrate (IRR) von 0,72, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,60 bis 0,87 statistisch signifikant war.
Dies bedeutet, dass die Anwender von Glitazonen unter den Typ 2-Diabetikern zu 28 Prozent seltener an einem Morbus Parkinson erkranken. Die Assoziation war nur für aktive Anwender von Glitazonen signifikant. Hier betrug die IRR 0,59 (0,46-0,77), was eine Reduktion des Parkinsonrisikos um 41 Prozent bedeutet.
Ob der Assoziation eine kausale Schutzwirkung zugrunde liegt oder ob Diabetiker, die diese Medikamente einnehmen, aus anderen Gründen vor einem Morbus Parkinson geschützt sind, lässt sich bei einer epidemiologischen Untersuchung nicht belegen. Offen ist auch, ob Nichtdiabetiker von der Einnahme der Wirkstoffe profitieren würden. Eine solche Indikation lässt sich aus der Studie nach Ansicht der Autoren nicht ableiten, zumal die Nachteile bei einer Primärprävention leicht größer sein können als die Vorteile.
Ein Vertreter der Wirkstoffgruppe, Rosiglitazon, darf seit 2010 in Europa nicht mehr verwendet werden, weil es in einer Studie zu einer erhöhten Rate von Herzinfarkten gekommen war. Pioglitazon, der andere Vertreter der Wirkstoffgruppe, wurde zwischenzeitig mit einem erhöhten Blasenkrebsrisiko in Verbindung gebracht. Ob die beiden Risiken real sind, ist zwar umstritten, bei einer primärpräventiven Indikation könnten sie aber leicht zu einer negativen Schaden-Nutzen-Bilanz führen.
© rme/aerzteblatt.de

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