Ärzteschaft
KBV fordert Änderungen am geplanten Medikationsplan
Donnerstag, 23. Juli 2015
Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat den Medikationsplan begrüßt, den das sogenannte E-Health-Gesetz vorsieht, aber Änderungen im Detail gefordert. Vorgesehen ist, dass Patienten, denen mindestens drei Medikamente gleichzeitig verordnet werden, einen Anspruch auf einen papierbasierten Medikationsplan haben, der mittelfristig auch über die elektronische Gesundheitskarte abrufbar sein soll. An der Umsetzung arbeiten die KBV, die Bundesärztekammer und der Deutsche Apothekerverband.
Regina Feldmann, Vorstand der KBV, kritisiert jetzt, dass der Gesetzgeber einen Anspruch der Patienten auf einen Medikationsplan bereits ab drei Arzneimitteln vorsehe. „Kritisch wird es in der Regel erst, wenn die Patienten fünf Wirkstoffe oder mehr einnehmen müssen. Das wissen wir aus der internationalen Literatur, aus Studien und Modellprojekten.
Daher wurde dies auch zum Aufgreifkriterium für das Medikationsmanagement im Modellprojekt ARMIN, der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen“, betonte die Hausärztin. Auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin beschreibe in ihrer Leitlinie Multimedikation die Einnahme von mehr als fünf Medikamenten als kritischen Schwellenwert.
Feldmann für Einzelfallentscheidung bei weniger als fünf Medikamenten
Schätzungen zufolge würde bei einer Schwelle von drei Medikamenten der Kreis der anspruchsberechtigten Patienten von rund 7,5 Millionen Versicherten auf etwa das Doppelte ansteigen, was mit einer hohen Belastung insbesondere für den hausärztlichen Versorgungsbereich verbunden wäre. „Ich schlage vielmehr vor, bei weniger als fünf Medikamenten den Arzt im Einzelfall entscheiden zu lassen, ob ein Medikationsplan sinnvoll ist“, sagte Feldmann.
Zertifizierungsverfahren der KBV auf die Medikationspläne anwenden
Ein zweiter Punkt ist die Umsetzung des Medikationsplanes in den Praxisverwaltungssystemen (PVS): Ohne konkrete Vorgaben und Verpflichtungen wird es laut der KBV schwer sein, die PVS-Hersteller zu bewegen, die entsprechenden Funktionen in der geforderten Zeit und Qualität bereitzustellen. „Wir schlagen daher vor, die etablierten Zertifizierungsverfahren der KBV auch auf die Funktionalitäten der Medikationspläne auszuweiten. Auf diese Weise könnten wir eine einheitliche Umsetzung in den PVS sicherstellen“, erklärte Feldmann.
© hil/aerzteblatt.de

Die Tontafeln der Sumerer kann man heute noch lesen,
http://www.akdae.de/AMTS/Medikationsplan/docs/Medikationsplan_aktualisiert.pdf
Ein Medikationsplan ist also wesentlich mehr als ein tabellarischer Ausdruck der aktuellen Medikamente, es ist streng genommen eine streng definierte Datenbank, die auf dem Papier sowohl als Tabelle als auch als 2D-Barcode ausgedruckt wird. Erstellt werden kann so ein Plan von Krankenhäusern, Arztpraxen und Apotheken, durch den 2D-Barcode kann er elektronisch eingelesen werden, wenn z.B. in der Apotheke wegen der Rabattvereinbarungen der Kassen Präparate ausgetauscht werden (Aktualisierung) oder wenn beim Hausarzt die Medikationspläne von weiteren Fachärzten zusammengeführt werden (Konsolidierung). Die o.g. Projektbeschreibung gibt Antworten zum Thema Datensicherheit (wegen der dezentralen Speicherung ausschließlich bei den Beteiligten im System ist das kein Problem), außerdem kann bei einem Papierdokument der Besitzer des Papiers entscheiden, wem er es zeigt. Auch die Belange der Notärzte wurden berücksichtigt, in der Projektbeschreibung wird empfohlen den Plan zweimal auszudrucken, einmal für zu Hause in der Langform, und einmal den Kopfbereich mit dem 2D-Barcode zusammengefaltet für die Brieftasche für Notfälle.
Die Fragen, die in der Projektbeschreibung offen bleiben, das ist die organisatorische Umsetzung. Von den über 70 Seiten des pdf-Dokuments ist mehr als die Hälfte den technischen Details gewidmet. Dementsprechend dürfte es für eine Softwarefirma doch einigen Aufwand bedeuten, ich bin kein IT-Experte, aber ich würde den Aufwand auf etwa 2 Personenmonate Programmierarbeit und insgesamt etwa 20 000 € Kosten schätzen. Die Hauptnutznießer sind die Krankenkassen, die durch einen Medikationsplan die Kollateralschäden ihrer Rabattverträge abmildern, nach dem Verursacherprinzip sollten zumindest die Marktführer bei den Arztsystemen die o.g. Summe direkt von den Kassen außerhalb des KV-Budgets bekommen. Auch steht die Frage, ob die Apotheker die Aktualisierung des Medikationsplanes vergütet bekommen, wenn sie die Kassen beim Kostensparen unterstützen. Das Erstellen eines Medikationsplans ist aus meiner Sicht Bestandteil der normalen ärztlichen Tätigkeit, die Konsolidierung dagegen und die Prüfung der Medikation der ärztlichen Kollegen auf Wechselwirkungen sollte nach Möglichkeit mit einer eigenen EBM-Nummer vergütet werden.
Wenn Hard- und Software mitspielen, würde ich mich meinem Vorredner anschließen und den Medikationsplan für alle empfehlen, einerseits weil alte Leute bei einem Medikamentenwechsel auch schon bei drei Präparaten verwirrt werden können, und andererseits auch die Zahl an fünf Medikamenten nur ein Surrogatmarker für die Komplexizität der Wechselwirkungen ist, bei bestimmten Wirkstoffen (Gerinnungshemmer) können sich auch schon eher unerwünschte Interaktionen ergeben.

Medikationsplan
Gerinnungshemmer, Zytostatika, Psychopharmaka u.a. haben aufgrund ihrer Komplikationsmerkmale ein Alleinstellungsrecht und müssen unabhängig von einer Mengengrenze genannt und gespeichert werden.

Da krieg ich aber was zu hören
Viel schwieriger ist es für die Patienten, dass sie alle drei Monate in der Apotheke Pillen mit anderem Namen und anderem Aussehen (Größe, Farbe) erhalten, möglicherweise sogar andere Präparate als verordnet und auf dem Plan ausgedruckt!
Aber die Krankenkassen sparen dadurch Geld, also wird diese Gefährdung ignoriert und stattdessen die Ärzte genötigt, massenhaft Papier und Toner für den Ausdruck unrichtiger Medikationspläne zu verschwenden, die niemand braucht!

Patientenwohl contra Bequemlichkeit und Umsetzbarkeit?
Dass das schützenswerte Patientenwohl hinten an stehen soll, bloß weil die PVS-Programmiere angeblich die Medikationspläne nicht so schnell in die Software einpflegen können oder weil der Aufwand in den Arztpraxne zu hoch würde, ist doch ein lächerliches Argument!
Mit der gleichen dämlichen Begründung könnte man auch sagen, dass der Aufwand in der Krankenhaushygiene und die Umsetzung der schon lange geltenden Hygieneregeln zu viel Aufwand bedeute und dehalb Hygiene hinten an stehen müsse.
Aber haben wir diese Situation in den Krankenhäusern nicht schon längst? Können sich die Pflegekräfte überhaupt noch Zeit nehmen, Sterillium einzumassieren und 30 Sekunden einwirken zu lassen? Ich war im hiesigen Krankenhaus und das am wenigsten benutzte Utensil war der Strillium-Spender!
Ein Lösungsansatz betr. Medikationsplan wäre vielleicht, dass man Medikamente, von denen bekannt ist, dass Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten besonders leicht auftreten (wie z.B. bei allen Psychopharmaka), grundsätzlich auf einen Medikationsplan setzen muss. Der kann dann wie ein Kassenbon beim Arzt routinemäßig ausgedruckt werden.
Außerdem: Ist es in der Arztpraxis nicht viel aufwändiger, erst mal nachzuschauen, wie viele Medikamente der Patient gerade gleichzeitig einnimmt (und auch nachzufragen, welche OTC-Mittel er sich zusätzlich beschafft und einnimmt - das wird ebenfalls meist vergessen!), um danach zu entscheiden, ob der Patient einen Medikationsplan erhält? Einfacher wäre es doch, wenn der Medikationsplan als Standard immer ausgedruckt wird.
Dass ein Gesetz nach seiner in Kraftsetzung eine Zeit benötigt, bis es umgesetzt werden kann, weil z.B. die nötoige Infrastruktur erst geschaffen werden muss, das ist die einzige „Entschuldigung”, die ich hier gelten lassen kann.
Clemens M. Hürten
Heilpraktiker der Psychotherapie - Rottweil

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