Politik
Bundeskabinett winkt Korruptionsgesetz durch
Mittwoch, 29. Juli 2015
Berlin – Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen beschlossen. Damit soll ein neuer Straftatbestand „Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“ in das Strafgesetzbuch eingeführt werden. Die neuen Paragrafen 299a und 299b Strafgesetzbuch sehen vor, dass „wer als Angehöriger eines Heilberufes im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt, oder annimmt“ mit einer Geldstrafe oder einer bis zu dreijährigen Haftstrafe bestraft wird. Gleiches gilt für die Person, die einem Angehörigen eines Heilberufes „in Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung anbietet“. „Korruption ist immer dann, wenn etwas verordnet wird, was medizinisch nicht angezeigt ist, sondern eher zum finanziellen Vorteil für denjenigen, der etwas verschreibt“, erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nach der Kabinettsitzung vor Journalisten in Berlin.
Wir wollen die Ehrlichen schützen
Er gehe davon aus, dass die „überwiegende Mehrzahl der Ärzte sowie sonstige Erbringer von Gesundheitsleistungen ehrlich sind und sich täglich für das Wohl ihrer Patienten einsetzen.“ Um die Ehrlichen zu schützen, „schaffen wir klare Regeln für strafbares Verhalten und geben so den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit an die Hand, allein gegen die ‚schwarzen Schafe‘ im Markt einzuschreiten“, erklärte Maas weiter. Das Gesetz soll nach der Sommerpause in die parlamentarische Beratung und dann spätestens Anfang 2016 in Kraft treten.
Nach dem Willen des Bundesjustizministeriums soll mit der Regelung eine Gesetzeslücke geschlossen werden. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2012 gelten niedergelassene Ärzte nicht als „Amtsträger“ oder „Beauftragte der Krankenkassen“. Damit sind die bisherigen Korruptionstatbestände für Vertragsärzte grundsätzlich nicht anwendbar. In der Begründung des Gesetzes bezeichnet das Justizministerium außerdem die bisherigen sozial- und standesrechtlichen Regelungen als nicht ausreichend. „Die Berufskammern können korruptives Verhalten, das von anderen ausgeht, nicht verfolgen und müssen daher insbesondere das Anbieten, Versprechen und Gewähren von unzulässigen Vorteilen durch Nicht-Berufsträger ungeahndet lassen“, heißt es. Auch Krankenkassen könnten nach bisheriger Regelung „keine lückenlose Korruptionsbekämpfung gewährleisten.“
Zu vage Formulierungen führen zu Unsicherheiten
Nach Ansicht der Ärzteschaft, die grundsätzlich ein solches Gesetz befürwortet, fehlen allerdings die klaren Formulierungen und Regeln zur Korruption im vorliegenden Kabinettsentwurf. Somit könnten neue Unsicherheiten entstehen. KBV-Chef Andreas Gassen erklärte zum Kabinettsentwurf: „Es wäre am besten, das Gesetz benennt klare Regeln und Beispiele, wann Korruption vorliegt.“
In der Gesetzesbegründung wird nur auf verschiedene Möglichkeiten der Bestechung wie beispielsweise Reisen zu Vorträgen oder Kongressen verwiesen, diese sind aber nicht konkret im Gesetz benannt. Ähnlich wie Gassen hatte bereits Anfang des Jahres der Präsident der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, bei der Bewertung des Referentenentwurfes klargestellt: „Wir wollten ein Anti-Korruptionsgesetz, das für alle im Gesundheitswesen gilt – keine lex specialis nur für Ärzte.“ So werden beispielsweise Klinikbetreiber oder andere Entscheidungsträger von anderen Gesundheitseinrichtungen nicht speziell erwähnt.
Kooperationen dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden
Gassen betont: „Wichtig ist, dass Kooperationen, die für eine gute Patientenversorgung wünschenswert sind, nicht unter Generalverdacht gestellt werden.“ Dies wird in der Gesetzesbegründung an einer Stelle ausdrücklich mit mehreren Beispielen hervorgehoben: „Soweit Verdienstmöglichkeiten im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeit eingeräumt werden, ist zu berücksichtigen, dass die berufliche Zusammenarbeit gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt ist und auch im Interesse des Patienten liegt.“ Konkret werden dabei die Paragrafen des Sozialgesetzbuches zur vor- und nachstationären Versorgung (Paragraf 115a SGB V) zum ambulanten Operieren (Paragraf 115b) zur spezialfachärztlichen Versorgung nach Paragraf 116b sowie Verträge der Integrierten Versorgung nach Paragraf 140a SGB V erwähnt. „Die Gewährung angemessener Entgelte für die in diesem Rahmen erbrachten heilberuflichen Leistungen und dementsprechend die Verschaffung entsprechender Verdienstmöglichkeiten sind zulässig“, heißt es in der Gesetzesbegründung.
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Die Teilnahme an einer vergüteten Anwendungsbeobachtung soll ebenfalls nicht den Straftatbestand der Korruption erfüllen. „Ärzte dürfen sich ihren zusätzlichen Aufwand für die Teilnahme an der Anwendungsbeobachtung ersetzen lassen“, heißt es. „Anhaltspunkte für eine strafbare Unrechtsvereinbarung können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Entschädigung keine erkennbare ärztliche Gegenleistung gegenübersteht.“
Ein weiteres Ärgernis aus Sicht der Ärzteschaft: Den Strafantrag bei einer Staatsanwaltschaft können laut dem Gesetzentwurf mehrere Parteien stellen: die von der möglichen Korruption betroffenen Einrichtungen, betroffene Patienten, die Landesärztekammern, die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie rechtsfähige Berufsverbände. Aber auch gesetzlichen wie privaten Kranken- und Pflegekassen soll es künftig erlaubt werden, Strafanzeige zu stellen – unabhängig vom Willen des Betroffenen. „Kranken- und Pflegekassen vertreten eigene Interessen. Diese sind insbesondere auf die Kosten und die Kosteneinsparungen gerichtet, um im Wettbewerb bestehen zu können“, erklärte die Bundesärztekammer schon in einer Stellungnahme Ende März. © bee/aerzteblatt.de

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