Hochschulen
„Wichtige Partnerin für Forschung und Lehre“
Freitag, 6. November 2015
Dresden – Anfang Oktober feierte der Lehr- und Forschungsbereich Allgemeinmedizin an der Technischen Universität Dresden sein fünfjähriges Bestehen. Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. med. Antje Bergmann konnte in dieser Zeit zahlreiche Projekte auf den Weg bringen, beispielsweise die „Sächsischen Epidemiologischen Studien in der Allgemeinmedizin“ sowie das von der Roland-Ernst-Stiftung Sachsen geförderte Projekt „Multimedikation und ihre Folgen für die hausärztliche Patientenversorgung“. Intensiv widmet sie sich der Lehrforschung sowie der Förderung des ärztlichen und wissenschaftlichen Nachwuchses bundesweit. Für Bergmann steht fest: „In den letzten Jahren haben wir viel erreicht, aber es ist noch Luft nach oben.“
5 Fragen an Prof. Dr. med. Antje Bergmann, Leiterin des Lehr- und Forschungsbereichs Allgemeinmedizin an der Technischen Universität Dresden und Sektionssprecherin Studium und Hochschule der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM)
DÄ:Frau Prof. Bergmann, an den meisten Medizinischen Fakultäten haben sich inzwischen Lehrstühle für Allgemeinmedizin etabliert. Hat die Allgemeinmedizin es jetzt geschafft, aus der früheren Stiefkind-Rolle herauszukommen?
Bergmann: Die Allgemeinmedizin ist inzwischen an nahezu allen Medizinischen Fakultäten eine wichtige Partnerin für Lehre und Forschung. Dennoch gibt es noch Luft nach oben: Einige Lehrstühle sind auch jetzt noch nicht besetzt, werden gerade ausgeschrieben oder die Protagonisten befinden sich in Verhandlungen. Zudem reicht es nicht, dass lediglich ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin existiert, sondern dieser muss auch finanziell und personell ausreichend ausgestattet werden. Und dies ist leider noch nicht an allen Universitäten der Fall.
DÄ: Neben der Zahl der Lehrstühle und deren Ausstattung ist insbesondere die Qualität der Lehre entscheidend. Wie zufrieden sind Sie damit?
Bergmann: Das Feedback, das wir von den Studierenden bekommen, ist sehr gut. Bundesweit hat in den letzten Jahren die Lehre einen enormen Aufwind bekommen. Praxisnahe und qualitativ hervorragende Lehre sind in der Allgemeinmedizin meist Standard. Das Blockpraktikum Allgemeinmedizin gehört derzeit bundesweit zu den am besten evaluierten. Wir können also zufrieden sein mit dem Erreichten, beispielsweise mit dem 14tägigen Blockpraktikum und dem Angebot eines Wahltertials Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr für die interessierten Studenten. Dennoch heißt es für uns, sich nicht auszuruhen, sondern sich intensiv weiter um eine gute Lehre zu bemühen.
Allgemeinmedizin: Ein Fach im Aufwind
Noch gibt es nicht an allen medizinischen Fakultäten Lehrstühle für Allgemeinmedizin. Das Fach ist aber kein Nischenangebot mehr. Das belegt eine Umfrage des Deutschen Ärzteblatts – mit großem Rücklauf. Das Hausarzt-Dasein ist unattraktiv für den medizinischen Nachwuchs?
Dass Engagement und Motivation wirklich einen großen Einfluss haben können, beweisen unsere eigenen Daten von der Universität Dresden: waren es 2010 nur acht Prozent der Studierenden, die sich vorstellen konnten, eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin zu beginnen und Hausarzt zu werden, ist dies aktuell bei etwa 15 bis 20 Prozent der Studierenden der Fall, Tendenz steigend.
DÄ: Wie sieht es bezüglich der Forschung in der Allgemeinmedizin aus?
Bergmann: Die Forschungsaktivitäten sind entscheidend für eine Fakultät und gerade in der Allgemeinmedizin in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dies zeigen Untersuchungen des Münchner Lehrstuhlinhabers Prof. Dr. med. Antonius Schneider: Von 2008 bis 2010 sind 414 Originalarbeiten und wissenschaftliche Reviews erschienen. Zum Vergleich: Von 2000 bis 2002 waren es nur 60 Publikationen. Zudem erscheinen immer mehr allgemeinmedizinische Arbeiten aus Deutschland in hochrangigen Zeitschriften, die einen Impact Factor aufweisen. Ein Förderprogramm des Bundesforschungsministeriums unterstützt uns bei der Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin. Wenn die institutionalisierte Allgemeinmedizin in der Forschung an der Fakultät hervortritt, dann ist dies ein weiterer immens wichtiger Faktor für die Wahrnehmbarkeit intern und natürlich auch national und international.
DÄ: Haben auch die Studierenden die Allgemeinmedizin an den Universitäten gut angenommen?
Bergmann: Die meisten sind begeistert von den innovativen Lern-. und Lehrformen, die angeboten werden. Von dieser guten praktischen Ausbildung und der 1:1 Betreuung in den Lehrpraxen (im Blockpraktikum, im PJ) profitieren am Ende alle: die Studierenden, die Allgemeinmedizin, aber auch alle anderen Fachgruppen, in die die Nachwuchsärzte später einmal zur Weiterbildung gehen - und natürlich die Patienten. Der Erfolg misst sich auch an der Anzahl derer, die Allgemeinmedizin als Facharztpräferenz angeben.
DÄ: Hat sich in der Tat während der letzten Jahre schon spürbar das Interesse der Studierenden an dem Beruf des Hausarztes erhöht?
Bergmann: Maßgeblich! Wir legen ja im Studium mit persönlichem Engagement jedes einzelnen allgemeinmedizinisch Lehrenden den Grundstein: Präsenz, neue Lehrformen, Aktualität, Praxisbezug und 1:1 Betreuung sind unsere Vorteile. Bei hunderten von Studierenden konnten wir so Interesse für die Allgemeinmedizin wecken und die dazu erforderlichen ärztlichen Basisfähigkeiten vermitteln. Gute Vorbilder an den Unis, ein attraktiver Unterricht und der Einbezug der akademischen Lehrpraxen führen bei jungen Menschen offenbar zu einem größeren Interesse an der Allgemeinmedizin, wie unsere Untersuchungen in Dresden zeigen.
Ich weiß, dass an vielen Fakultäten dieser Trend ebenso positiv ist. Dennoch: für die Patientenversorgung der Zukunft sind es noch nicht genug Hausärzte. Die Bemühungen, mehr Studierende für das Fach zu begeistern, hochmotivierte Ärztinnen und Ärzte in die Facharztweiterbildung zu bekommen, müssen intensiviert werden.
Dazu gehört zum Beispiel die flächendeckende Etablierung der Weiterbildungsverbünde, in denen die einzelnen Abschnitte individualisiert, reibungsarm und mit anderen Modulen (Seminaren, Train.the-trainer für die Weiterbilder, Mentoring) zugeschnitten werden. Dass dies erfolgsversprechend ist, beweisen die Zahlen der „Verbundweiterbildung plus“ aus Baden Württemberg. © Rie/aerzteblatt.de

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