Ärzteschaft
S3-Leitlinie und Nationale Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ umfassend überarbeitet
Montag, 16. November 2015
Berlin – Depressionen zählen weltweit zu den wichtigsten Volkskrankheiten. Bundesweit sind innerhalb eines Jahres rund 6,2 Millionen Menschen betroffen. „Trotz der großen Bedeutung der Erkrankung, auch im Hinblick auf Fehltage und Frühverrentungen, gibt es bei der Versorgung von Menschen mit Depressionen große Defizite“, sagte Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) bei der Vorstellung der revidierten S3-Leitlinie und gleichzeitigen Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ heute in Berlin.
„Die Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Depressionen haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Und doch erhalten drei Viertel der Menschen, die an einer schweren Depression leiden, keine leitliniengerechte Behandlung; ein Fünftel erhält sogar gar keine Behandlung“, stellte Hauth unter Verweis auf den Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung heraus.
Um diese Defizite in der Versorgung abzubauen und das Wissen über Ursachen, Diagnostik und Therapie von Depressionen zu verbessern, hat die DGPPN gemeinsam mit 30 Fachgesellschaften, Verbänden und Organisationen die S3-Leitlinie beziehungsweise Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) umfassend überarbeitet und erweitert. Sie formuliert auf über 250 Seiten mehr als 120 Schlüsselempfehlungen und ersetzt die alte Leitlinie aus dem Jahr 2009.
Initiiert, koordiniert und finanziert wurde die Leitlinie von der DGPPN, die sie gemeinsam mit den beteiligten Organisationen inklusive Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften herausgibt. Die Leitlinie richtet sich an alle Berufsgruppen, die – ambulant und stationär – Patienten mit unipolarer Depression behandeln.
Leitlinie geht auf Bedürfnisse älterer Patienten und bei somatischen Komorbiditäten ein
„Die Revision trägt wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung“, sagte Frank Schneider, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Uniklinik der RWTH, Aachen. So bilde die Leitlinie Neuerungen in der Pharmakotherapie und bei psychotherapeutischen Verfahren ab. „Die neue Leitlinie geht beispielsweise speziell auf die Bedürfnisse älterer Patienten und auf die Behandlung bei somatischer und psychischer Komorbidität ein“, betonte Schneider. „Grundsätzlich werden Pharmakotherapie und Psychotherapie nicht gegeneinander ausgespielt.“
„Bei der Psychotherapie wurden neu die Systemische und die Familientherapie aufgenommen sowie die kognitive Therapie der sogenannten dritten Welle“, berichtete Martin Härter, Direktor des Instituts und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Hamburg -Eppendorf. „Bei akuten mittelschweren bis schweren Depressionen empfehlen wir immer eine Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie“, betonte Härter. Ebenso neu sei die Aufnahme niederschwelliger psychosozialer Basisinterventionen, die Psychiater, Hausärzte und Psychotherapeuten noch vor spezifischen Behandlungen einsetzen können.
Neue Kapitel zur Behandlung von Migranten und in der Peripartalzeit
Weitere Schwerpunkte der neuen Leitlinie „Unipolare Depression“ sind die Darstellung der wissenschaftlichen Belege und Empfehlungen zu körperlichem Training und Sport sowie zur Elektrokonvulsionstherapie. Darüber hinaus ist erstmals ein Kapitel zum Umgang mit Patienten mit Migrationshintergrund und zur Behandlung von Frauen in der Peripartalzeit integriert.
„Vertreter aller an der Behandlung von Patienten mit Depressionen beteiligten Berufsgruppen – und die Betroffenen – haben in einem sehr aufwendigen Verfahren Literatur systematisch gesichtet, kritisch geprüft und dann gemeinsam abgewogen, welche Behandlungen in welcher Situation mehr oder weniger erfolgsversprechend sind“, sagte Corinna Schäfer vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin. So ein aufwendiger Prozess sei wichtig für die Behandlung einer so relevanten Erkrankung.
Schäfer wies weiter darauf hin, dass Nationale Versorgungsleitlinien vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss bei der Erstellung von Disease Management Programmen berücksichtig werden. NVL legten zudem die Koordination der Behandlung fest.
Die Langfassung der revidierten S3-Leitlinie und Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ ist bereits im Netz verfügbar. Die Kurzfassung sowie die für Betroffene und Angehörige eigens entwickelte Patientenleitlinie werden in den nächsten Monaten fertig gestellt.
© pb/aerzteblatt.de

Doch, ist es...

Leitlinie auf über 250 Seiten...

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