Politik
Zahl der Pflegebedürftigen steigt stärker als bislang erwartet
Dienstag, 17. November 2015
Berlin - Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird nach dem heute vorgestellten Pflegereport 2015 der Barmer GEK in den kommenden Jahrzehnten noch stärker steigen als bisher angenommen. So sollen im Jahr 2060 schätzungsweise 4,52 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen sein (aktuell sind es 2,6 Millionen) - rund 221.000 Personen beziehungsweise fünf Prozent mehr als bislang prognostiziert. Der Zuwachs an Pflegebedürftigen gegenüber alten Vorausberechnungen rekrutiere sich vor allem aus Männern. Die neuen Berechnungen beruhten auf Ergebnissen des Zensus aus dem Jahr 2011, die erstmals verwendet wurden, sagte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK.
Der Studie zufolge, die Vergleiche mit früheren Modellrechnungen anstellt, soll zudem der Anteil hochbetagter Pflegebedürftiger in den nächsten Jahren stark wachsen: 60 Prozent der pflegebedürftigen Männer und 70 Prozent der pflegebedürftigen Frauen werden im Jahr 2060 85 Jahre oder älter sein, heißt es darin. Heute liegen die entsprechenden Werte bei 30 beziehungsweise 50 Prozent. „Mit steigendem Alter wird es immer wahrscheinlicher, dass wir pflegebedürftig sind. Bis wir 50 Jahre alt sind, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 0,5 Prozent. Ab einem Alter von 90 Jahren beträgt sie bei Männern 45 und für Frauen sogar etwa 65 Prozent“, erläuterte Straub. „Aufgrund der drastischen Alterung der Pflegebedürftigen und ihrer steigenden Zahl sind weitere Pflegereformen programmiert.“
Allerdings schätzt der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK das zweite Pflegestärkungsgesetz, das am 1. Januar 2016 in Kraft treten soll, „als eine entschlossene und weit reichende Reform“ ein. Sie beseitige mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff eine der bisherigen Schwächen der Sozialen Pflegeversicherung, sagte er. Weder in der ambulanten noch in der stationären Pflege solle beim Übergang in das neue System von Pflegegraden und Begutachtung ein bisher Pflegebedürftiger schlechter gestellt werden. In der stationären Pflege bringe die Reform mit einrichtungseinheitlichen Eigenanteilen eine wichtige Innovation.
Der Report betrachtet ferner die Kapazitäten in der ambulanten und stationären Pflege. Sie seien in den letzten Jahren schneller gewachsen sind als die Zahl der Pflegebedürftigen. So sei die Zahl der Pflegebedürftigen in den Jahren 1999 bis 2013 um etwa 30 Prozent gestiegen, die Bettenzahl im stationären Bereich dagegen um 39,9 Prozent und die Zahl der Pflegedienstbeschäftigten, in Vollzeitäquivalenten gerechnet, sogar um 70 Prozent.
Straub wies aber auch auf die Belastung der Familien der Pflegebedürftigen durch die Pflege hin, die künftig zunehmen werde. Es müsse deshalb mehr Unterstützung für pflegende Angehörige geben, um Überforderungen zu vermeiden. Pflege finde immer mehr zu Hause statt. Studienautor Heinz Rothgang verwies bei der Vorstellung des Reports darauf, dass derzeit die Pflege von rund 1,87 Millionen Menschen im häuslichen Umfeld von rund 3,7 Millionen Angehörigen geleistet werde. Ein Drittel davon seien Männer. Der Anteil vollstationärer Pflege sei dagegen zwischen den Jahren 2005 und 2013 von 31,8 auf 29,1 Prozent gesunken. © ER/aerzteblatt.de

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