Medizin
Meta-Analyse: Viele Nachwuchsärzte leiden unter Depressionen
Mittwoch, 9. Dezember 2015
Boston – Zwischen 21 und 43 Prozent aller Ärzte leiden während ihrer klinischen Ausbildungsjahre unter depressiven Symptomen oder Depressionen. Dies zeigen die Ergebnisse einer Meta-Analyse im US-amerikanischen Ärzteblatt JAMA (2015; 314: 2373-2383), nach denen sich die Problematik in den letzten Jahren sogar noch verschärft haben könnte.
Die ersten Jahre der klinischen Ausbildung nach dem Abschluss des Medizinstudiums sind für viele Ärzte eine schwierige Phase. Die neue Tätigkeit kann die Nachwuchsärzte überfordern, und die langen Dienste bieten wenig Gelegenheit, sich von den Strapazen zu erholen. Übermüdung und Schlafmangel sind jedoch nicht die einzigen Folgen, wie die meisten der 54 Studien zeigen, die Douglas Mata vom Brigham and Women's Hospital in Boston und Mitarbeiter ausgewertet haben.
Die Studien waren zwischen Januar 1963 und September 2015 publiziert worden. Sie waren in Nordamerika und Europa, aber auch in Asien und Südamerika und eine sogar in Afrika durchgeführt worden und hatten insgesamt 17.560 Nachwuchsärzte befragt. Dabei wurden verschiedene Fragebögen benutzt. Ärztliche Untersuchungen zur Sicherung der Diagnosen fanden nicht statt. Die Ergebnisse sind laut Mata mit Vorbehalt zu sehen, sie ermöglichen jedoch eine ungefähre Aussage über die Verbreitung von depressiven Symptomen und Depressionen unter Nachwuchsärzten.
Die geschätzte Prävalenz reicht von 20,9 Prozent bei Verwendung des 9-Punkte Gesundheitsfragebogens für Patienten (PHQ9), der als relativ genau gilt, bis zu 43,2 Prozent im Primary Care Evaluation of Mental Disorders (PRIME-MD), der ein reines Screening-Instrument ist. Die Gesamtprävalenz lag bei 29 Prozent, was bedeutet, dass 4.969 der 17.560 untersuchten Nachwuchsärzte durch depressive Störungen unter Umständen in ihren professionellen Fähigkeiten eingeschränkt waren.
Dass die Anforderungen der ersten Berufsjahre für viele Störungen verantwortlich sind, ergab sich aus einem Anstieg der Prävalenz um 15,8 Prozent zu Beginn der Ausbildungszeit. Mata hat auch herausgefunden, dass der Anteil der Ärzte mit depressiven Störungen im Verlauf des Untersuchungszeitraums zugenommen hat (um 0,9 Prozent pro Kalenderjahr). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die Problematik in letzter Zeit noch verschärft hat.
zum Thema
- Abstract der Studie im JAMA
- Pressemitteilung von JAMA
- Pressemitteilung des Brigham and Women's Hospital
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Deutsches Ärzteblatt print
Thomas Schwenk von der University of Nevada School of Medicine in Reno schreibt, dass depressive Symptome unter Ärzten nicht unbedingt häufiger sind als in der Allgemeinbevölkerung, wo die Lebenszeitprävalenz bei etwa 16 Prozent liegt. Dennoch sei der hohe Anteil bei den Nachwuchsärzten keinesfalls akzeptabel.
Der Editorialist verweist auf Studien zum Burnout-Syndrom, einer mit Depressionen eng verwandten Erkrankung. Diese hatten gezeigt, dass Ärzte mit Burnout-Syndrom häufiger ein unprofessionelles Verhalten zeigen und mehr Behandlungsfehler begehen. Diese Gefahr besteht laut Schwenk auch bei Depressionen. Anders als beim Burnout-Syndrom ist die Neigung der Ärzte, gerade in der Ausbildungsphase, psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen, jedoch gering.
Neben einem Zeitmangel dürften viele Ärzte Nachteile für ihre Karriere befürchten, wenn ihre Personalakte eine psychiatrische Erkrankung erwähnt. Auch die Verkürzung der Arbeitszeiten könne das Problem allein nicht lösen, befürchtet Schwenk, für den die Ergebnisse ein Anlass sein sollten, grundsätzlich über das System der Ausbildung nachzudenken. © rme/aerzteblatt.de

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