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Politik

Krankenkassen: Debatte um Beitragserhöhungen hält an

Sonntag, 3. Januar 2016

dpa

Berlin – Zwei Drittel der allgemein zugänglichen gesetzlichen Krankenkassen haben zum Jahreswechsel ihren Beitrag angehoben. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom Samstag auf Grundlage der vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen veröffentlichten Beitragsliste. Demnach werden 59 von 88 bundes- oder landesweit geöffneten Kassen teurer. Die Beitragssätze reichen nun von 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens bei der Metzinger BKK bis 16,3 Prozent bei der BKK Viactiv.

Diese Erhöhung muss über Zusatzbeiträge getragen werden – und damit nicht paritätisch, also gleichteilig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern von den Beschäftigten allein. In der Politik ist deshalb eine Debatte über die Finanzierung der Krankenversicherung ausgebrochen.

Neben Beitragssatz auch Qualität beachten
Die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, warnte aber davor, alleine wegen des Zusatzbeitrags die Kasse zu wechseln. „Zum Wettbewerb unter den Krankenkassen gehört nicht nur die Höhe des Zusatzbeitrages, sondern beispielsweise auch die Qualität der Beratung sowie Art und Umfang der Zusatzleistungen“, sagte sie der FAZ  Auch eine Geschäftsstelle vor Ort sei für viele Menschen wichtig.  „Welche Krankenkasse die Richtige ist, sollte man nicht nur an der Höhe des Zusatzbeitrages festmachen“, sagte Pfeiffer.

Das Handwerk schlug vor, gesamtgesellschaftliche Aufgaben der Krankenversicherung durch den Staat zu finanzieren. „Das gilt vor allem für die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern“, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Peter Wollseifer, der Passauer Neuen Presse vom Samstag. „Staat und Steuerzahler sollten hier die Verantwortung übernehmen.“

„Eine Finanzreform der GKV ist für uns ein ganz wichtiges Projekt, und wir hoffen, dass die große Koalition das jetzt noch aufgreift“, forderte die Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. Spätestens in der kommenden Wahlperiode sollte das Thema angegangen werden.

Ersatzkassen: Beitragssatz wieder selbst bestimmen
Die Arbeitgeber sollten wieder an den Kostensteigerungen beteiligt werden. Zudem sollten die Verwaltungsräte der Krankenkassen den Beitragssatz wieder selbst festlegen können. „Und der dritte Punkt ist eine Finanzreform, die das Verhältnis der Krankenkassen untereinander betrifft“, fügte die vdek-Chefin hinzu. Der heutige Mechanismus des Risikostrukturausgleichs, der die Beitragsgelder zwischen den Krankenkassen verteilt, benachteilige die Ersatzkassen.

Auch die Techniker Krankenkasse (TK) setzt dort an. „Wir brauchen ein Risikostruktur­ausgleichsystem unter den Kassen, das Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthoch­druck etwas weniger berücksichtigt und die selteneren, aber teuren Krankheiten etwas mehr“, sagte der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas. Der derzeitige Ausgleich setze für die Krankenkassen keine Anreize, in die Vermeidung von Krankheiten zu investieren, sondern konterkariere solche Bemühungen sogar.

Nahles: Parität bei Krankenkassenbeiträgen mit Koalitionspartner nicht umsetzbar
Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) sprach sich unterdessen für eine Rückkehr zur gleichmäßigen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus. „Ich bin ganz klar für eine volle Parität bei den Krankenkassenbeiträgen“, sagte Nahles am Samstag in Hürtgenwald bei Aachen. „Ich halte es momentan nicht für wahrscheinlich, dass wir dafür Mehrheiten mit dem Koalitionspartner organisieren“, räumte sie ein. „Aber grundsätzlich ist das sehr wohl die richtige Einstellung, weil wir – wenn wir das über 20 Jahre betrachten – sonst eine sehr einseitige Belastung der Arbeitnehmer haben.“

Auch Grüne und Linke fordern die Rückkehr zur paritätischen Gesundheitsfinanzierung. Die Sprecherin der Grünen für Gesundheitspolitik, Maria Klein-Schmeink, nannte es "absolut inakzeptabel", dass die Union weiterhin an einer Belastung der Arbeitnehmer festhalte. "Die gestiegenen Zusatzbeiträge müssen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fair aufgeteilt werden", erklärte sie am Montag.

Ähnlich äußerte sich der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger. Die Rückkehr zu Parität wäre nur ein erster Schritt zu einer solidarischen Bürgerversicherung, die Schluss mache "mit der Zwei-Klassen-Medizin nach Kassenlage", erklärte er. 

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt wandte sich dagegen in der Passauer Neuen Presse vom Montag gegen den Vorstoß der SPD, beide Seiten künftig wieder gleichermaßen zu belasten. 

„Mit uns wird es hier keine Änderungen geben", sagte Hasselfeldt der Zeitung. Der Arbeitgeberbeitrag sei "aus guten Gründen" eingefroren worden. Es gehe um stabile Lohnnebenkosten, die Jobs in Deutschland sicherten.  © dpa/afp/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #110206
kairoprax
am Dienstag, 5. Januar 2016, 13:43

kann man wirklich nur die Kasse wechseln, wenn man das System ändern will?


Mich stört in erster Linie das Ausufern der außer-GKV-lichen Angebote, auf die die Beitragszahler keinen Einfluß haben außer dem einen, daß es ihnen offen steht, die Kasse zu wechseln.

Die Kassen sind es, die mit kriminell-wegschauender Energie an der Preis-Leistungs-Spirale drehen. In den hauseigenen Broschüren wird Werbung betrieben mit "Sonder"-Leistungen, und natürlich werden diese Angebote auch aufgegriffen und angenommen. Wenn jetzt die Dämme angesichts des Konkurrenzdrucks zu reißen beginnen, und sogar IGe-Leistungen, die man doch längst als reine Beutelschneiderei entlarvt hat, wieder durch die Hintertür erstattet werden, ist das alles andere als ein zielführender Weg. Was nützt es, sich als Arzt zu weigern, Befürwortungen für Osteopathie oder Off-Label-Medikamente auszustellen, wenn solche Maßnahmen dann ohne Befürwortung von der Kasse genehmigt werden.

Leider hat man in der Vergangenheit den Fehler gemacht, Leistungen, die für sich betrachtet sinnvoll sind (etwa die PSA-Bestimmung oder die Augendruckmessung) auszuschließen. Noch schlimmer ist es mit dem Zahnersatz und den Brillen. Alles das ist jetzt auf dem schillernden IGeL-Markt gestrandet, statt daß man eine gesunde Positiv-Negativ-Liste geschaffen hätte.

Was den Arbeitgeberanteil betrifft, wären die Arbeitgeber nach wie vor 50:50 im Spiel, würden die Regeln sicher strenger eingehalten werden. Es ist doch menschlich verständlich, daß die allein gelassenen Arbeitnehmer argumentieren, sie wollen mehr, weil sie ja auch mehr zahlen.

Mit ihren Rabattverträgen tragen gerade die Kassen, die Tarifaufschläge angekündigt haben, zu der Höhe der Pharmapreise bei. Es gäbe genügend common sense und good will, um die Mondpreise der Pharmaindustrie in die Schranken zu weisen. Keine Rabatte und eine Festlegung auf einen Maximalerstattungsbetrag wären gesünder.

Bei den Erstattungsverhandlungen mit den Kliniken findet eine geradezu skandalöse Entwicklung unter Beteiligung der Krankenkassen statt. Ich denke, es besteht kein Zweifel daran, daß ambulant erbrachte Leistungen erheblich kostengünstiger sind als Leistungen, die in den Ambulanzen erbracht werden. Trotz dieser Erkenntnis werden die Honorare der ermächtigten Ärzte zu 100% und außerbudgetär erstattet. Allein die Beseitigung dieses Mißstands könnte die Beitragssätze merkbar senken.

Bei der Einführung der ersten Zusatzbeiträge hat namentlich und bekanntermaßen die DAK sehr viele Mitglieder verloren. Jetzt hat die DAK wieder als erste Ersatzkasse erhöht, statt ein wirklich rechnendes System aus Grundtarifen und aufpreisplichtigen Sonderleistungen zu schaffen. Und diesmal halten sich die Mitbewerber nicht einmal zurück – wenn man absieht von den immer noch aufrecht kalkulierenden BKK.
Eigenanteil und Grundversorgung sind Schlüsselbegriffe.
Ich denke, die Versicherer sollten sich nicht scheuen, Grundtarife einzurichten und andere Leistungen als Module mit hohem Eigenanteil danebenzustellen.

Wir sehen auf eine Spirale, die - wenn man kein Veto einlegt - nach oben geht. Höhere Beiträge fordern nach Zusatzleistung, Zusatzleistungen werden zum Werbeargument, Werbegeschenke treiben die Beiträge in die Höhe.
Das Anspruchsdenken auf allen Seiten wächst – übrigens auch bei vielen Ärzten. Daß der Weg, den die AOK – landauf landab eine der Kassen, die Zuschläge angekündigtr hat - und ein paar andere mit ihren Hausärztemodellen gegangen sind nur dazu geführt hat, daß die teilnehmenden Ärzte sich pauschal bezahlen lassen, aber nicht mehr bereit sind, nach Leistung zu arbeiten, dämmert inzwischen allmählich auch den Verantwortlichen.
Und das Schlimme ist, die medizinische Versorgung wird keineswegs besser.

Es ist wirklich ein schwieriger Einschnitt, der jetzt zum Jahreswechsel passiert ist. Das GKV-System muß sich dringend ändern. Echte, notwendige, sinnvolle Leistung muß endlich auch entlohnt werden und mit dem preistreibenden Schrott muß Schluß sein.
Ich hoffe deswegen, daß gerade soviele Mitglieder die Kassen wechseln werden, daß die nicht ausbluten, aber genügend Ansporn haben, die Richtung zu wechseln.

Dr.Karlheinz Bayer, Bad Peterstal









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