Medizin
Melioidose mit ähnlich vielen Todesfällen wie Masern
Dienstag, 12. Januar 2016
Oxford – An einer Melioidose erkranken weltweit jedes Jahr circa 165.000 Menschen, von denen 89.000 an der hierzulande fast unbekannten Infektionskrankheit sterben. Wenn die Berechnungen in Nature Microbiology (2016: doi: 10.1038/nmicrobiol.2015.8) zutreffen, könnten der bakteriellen Infektion in etwa so viele Menschen zum Opfer fallen, wie an den Masern sterben.
Burkholderia pseudomallei ist ein im Boden und in Gewässern lebendes Bakterium, das über Hautläsionen, möglicherweise aber auch durch Inhalation oder über kontaminiertes Trinkwasser aufgenommen wird. Die Infektion verläuft vermutlich in den meisten Fällen asymptomatisch. In Endemiegebieten sollen 6 bis 20 Prozent der Bevölkerung Antikörper gegen B. pseudomallei im Blut haben.
Wenn das Bakterium im Körper Fuß fasst, kann es aber – typischerweise nach einer aufsteigenden Infektion – zu einer lebensgefährlichen Bakteriämie kommen. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko besteht bei Diabetikern und bei abwehrgeschwächten Patienten. Die Bakterien befallen dann Leber, Milz, Skelettmuskeln oder Prostata. Eine Antibiotikabehanldung kommt dann meist zu spät.
Die Mortalität bei einer Sepsis wird mit bis zu 80 Prozent angegeben. Eine Behandlung ist langwierig, da der Erreger auch ohne Vorbehandlung gegen eine Reihe von Antibiotika resistent ist. Das Robert Koch-Institut empfiehlt eine intravenöse Therapie Carbapenemen oder Ceftazidim für mindestens 14 Tage gefolgt von einer drei bis sechs monatigen oralen Therapie mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol.
Die Melioidose ist in Südost-Asien endemisch. Doch nicht nur dort sind die Lebensbedingungen des Erregers im Erdreich günstig. Direk Limmathurotsakul von der Universität Oxford und Mitarbeiter kommen aufgrund einer Analyse von publizierten Erkrankungsfällen bei Menschen und Tieren zu dem Schluss, dass im Prinzip die gesamte Tropenregion einschließlich von Südamerika und Afrika als Ausbreitungsgebiet infrage kommt. Auch in gemäßigten Zonen kann B. pseudomallei überleben.
Nach einer importierten Erkrankung im Jahr 1975 war der Erreger in Paris noch bis zu sechs Jahre im Erdreich vorhanden. Im US-Staat Louisiana wurde der Erreger in der Umgebung des Tulane National Primate Research Center nachgewiesen. Louisiana gehört neben Texas und den südlichen Regionen von Florida zu den Regionen, in denen B. pseudomallei längere Zeit im Erdreich überdauern könnte. In Japan gelten die Präfekturen Okinawa und Kagoshima als potenzielle Ausbreitungsgebiete. Im Prinzip könnte der Erreger auch in Deutschland auftreten. Als „Rotz“ war die Melioidose bei Pferden in Europa im neunzehnten bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts verbreitet.
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In Deutschland besteht derzeit kein Ansteckungsrisiko. Die vermutlich letzte Patientin, eine 72-jährige Frau mit Typ 2-Diabetes, Hypothyreose und arterieller Hypertonie, die 2013 im Rhein-Neckar-Kreis erkrankte, hat sich vermutlich auf einer ihrer zahlreichen Schiffsreisen infiziert.
Limmathurotsakul und Mitarbeiter kommen aufgrund ihrer Recherchen zu dem Schluss, dass die Erkrankung vermutlich weitaus häufiger ist als bisher angenommen. Ihren Berechnungen zufolge sterben pro Jahr 89.000 Menschen an der Erkrankung. Das wären fast so viele Todesfälle, wie durch Masern (95.600 pro Jahr) verursacht würden und mehr als an Leptospirose (50.000 pro Jahr) und Dengue-Infektion (9.100 bis 12.500 pro Jahr) sterben. © rme/aerzteblatt.de

Rotz und Pseudorotz

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