Medizin
Adipositas: Kann Reizdarm-Medikament Darmkrebs verhindern?
Sonntag, 17. Januar 2016
Philadelphia – Eine hyperkalorische Diät hemmt im Darm die Bildung des Darmhormons Guanylin. Die Folge könnte eine gestörte Tumorabwehr sein, wie tierexperimentelle Befunde in Cancer Research (2016; doi: 10.1158/0008-5472.CAN-15-1467-T) zeigen. Sie haben eine klinische Studie veranlasst, die untersucht, ob der Guanylin-Agonist Linaclotid, der zur Behandlung des Reizdarmsyndroms zugelassen ist, eine darmkrebspräventive Wirkung haben könnte.
Seit längerem ist bekannt, dass adipöse Menschen ein um etwa 50 Prozent erhöhtes Risiko haben, an Darmkrebs zu erkranken. Die Ursache ist nicht bekannt, doch ein Team um Scott Walkman von der Jefferson University in Philadelphia ist auf eine Verbindung gestoßen, die – falls sie sich bestätigen sollte – einen neuen Ansatz zur Prävention der häufigen Krebserkrankungen eröffnen könnte.
Im Zentrum der Überlegung steht das Gewebehormon Guanylin, das 1992 entdeckt wurde. Es stimuliert über den Rezeptor Guanylatzyklase-C die vermehrte Ausscheidung von Wasser und Chlorid im Darm. Die Folge ist ein weicherer Stuhl. Der Guanylin-Agonist Linaclotid wurde 2013 zur Behandlung eines obstipationsbetonten Reizdarmsyndroms zugelassen.
Guanylin scheint aber auch eine schützende Funktion für die Darmschleimhaut zu haben. Die Darmschleimhaut wird durch Verdauungsvorgänge „verschlissen“ und muss regelmäßig erneuert werden. Die rasche Neubildung von Zellen ist mit einem Krebsrisiko verbunden, das offenbar durch Guanylin abgeschwächt wird. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Bildung von Guanylin in der Nähe von Darmtumoren vermindert ist.
Eine mögliche Ursache für die verminderte Guanylin-Bildung könnte eine hyperkalorische Ernährung zu sein. Sie scheint, wie Walkman herausfand, die hormonbildenden Zellen zu stressen, so dass diese die Produktion von Guanylin einstellen. Weitere Untersuchungen Walkmans zeigen, dass bei Menschen mit morbider Adipositas (BMI 35 oder höher) die Bildung von Guanylin im Darm um bis zu 80 Prozent vermindert ist.
Dies veranlasste die Forscher zu einer Reihe von tierexperimentellen Studien. Mäuse, die hyperkalorisch ernährt wurden, entwickelten den gleichen Guanylin-Mangel im Darm wie adipöse Menschen. Die Tiere waren daraufhin anfällig für Darmkrebs. Wurden die Tiere jedoch genetisch so verändert, dass sie trotz hyperkalorischer Ernährung Guanylin bilden, blieben die schädlichen Folgen auf die Schleimhaut aus und die Tiere erkrankten nicht an Krebs.
Eine ähnliche Wirkung könnte der Wirkstoff Linaclotid erzielen. Da dieses Mittel bereits zugelassen ist, konnte das Team auf weitere tierexperimentelle Studien verzichten. Zusammen mit dem US-National Cancer Institut wurde eine erste klinische Studie an 18 gesunden Probanden gestartet. Dort geht es vorerst nur um die Auswirkungen auf die Proliferation der Darmschleimhaut. Sollten hier deutliche Effekte gefunden werden, könnten sich weitere Studien zur Darmkrebsprävention bei adipösen Menschen anschließen. © rme/aerzteblatt.de

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