Medizin
Ovarialkarzinom: „Simple Rules“ ermöglichen treffsichere Ultraschalldiagnose
Dienstag, 19. Januar 2016
Löwen – Ovarialkarzinome können in einer vaginalen Sonographie mit Hilfe einer Checkliste von zehn Merkmalen, „Simple Rules“, zuverlässig von gutartigen Raumforderungen unterschieden werden. Die jüngste Untersuchung im American Journal of Obstetrics and Gynecology (2016; doi: 10.1016/j.ajog.2016.01.007) erzielte eine sehr hohe Treffsicherheit.
Die meisten Ovarialkarzinome entwickeln sich in Zysten, doch die meisten Zysten sind gutartig. Die Diagnose von Ovarialkarzinomen gelingt deshalb häufig erst während der Operation. Seit vielen Jahren wird nach Möglichkeiten gesucht, gutartige von malignen Raumforderungen im Vorfeld zu unterscheiden. Frühere Tests, etwa der „risk of malignancy index“, setzten auf die Bestimmung des Tumormarkers CA125 im Blut, der jedoch zu Beginn der Erkrankung häufig noch nicht angestiegen ist.
Als Alternative bietet sich seit einigen Jahren eine intravaginale Ultraschalluntersuchung an. Moderne Geräte können auch subtile Merkmale unterscheiden und viele Ultraschall-Untersucher sind sich inzwischen sicher, präoperativ zwischen einer benignen Zyste und einem Malignom unterscheiden zu können. Die 1999 von drei Medizinern (Dirk Timmerman, KU Leuven, Tom Bourne, Imperial College London und Lil Valentin, Universität Lund) gegründete IOTA-Gruppe (International Ovarian Tumor Analysis) versucht seit Jahren, einfache Kriterien für die Diagnose zu erstellen.
Die neueste Version dieser „Simple Rules“ umfasst zehn Merkmale, mit deren Hilfe die Raumforderung als maligne, benigne oder „nicht eindeutig“ eingestuft werden kann. Diese dritte Kategorie „nicht eindeutig“ war in der Vergangenheit recht groß. Sie umfasste 29 bis 25 Prozent aller Patientinnen, denen dann vorsorglich zu einer Operation geraten wird.
Diagnostische Genauigkeit von 98 Prozent
Die neueste Version verspricht laut Timmerman in fast allen Fällen eine klare Entscheidung. Das Modell erreiche eine diagnostische Genauigkeit von 98 Prozent, heißt es in der Pressemitteilung des Imperial College London. In der Publikation wurde bei einem niedrigen Risiko von unter 1 Prozent ein negativer Vorhersagewert von 98,9 Prozent erzielt. Bei Frauen mit einem geschätzten Risiko von 30 Prozent betrug der negative Vorhersagewert 93,9 Prozent. Die Ergebnisse waren in ausgewiesenen onkologischen Zentren nicht besser als in anderen Krankenhäusern. Die Studie basiert auf 4.848 Patientinnen, die an 22 europäischen Zentren (ohne deutsche Beteiligung) untersucht wurden.
Die Simple Rules umfassen fünf M-Merkmale, die auf ein Karzinom hindeuten und fünf B-Merkmale, die für eine gutartige Zyste sprechen. Die M-Merkmale sind erstens ein unregelmäßiger solider Tumor, zweitens ein Aszites, drittens mindestens vier papilläre Strukturen, viertens ein unregelmäßiger multilokulärer-solider Tumor mit einem größten Durchmesser von wenigstens 100 mm und fünftens ein sehr hoher Farbanteil in der Farb-Doppler-Untersuchung.
Die fünf B-Merkmale sind erstens eine unilokuläre Zyste, zweitens das Vorhandensein von soliden Komponenten, die nicht größer als 7 mm im größten Durchmesser sein dürfen, drittens das Auftreten von Schallschatten, viertens ein glatter multilokulärer Tumor mit einem größten Durchmesser von weniger als 100 mm und fünftens das Fehlen eines Blutflusses in der Doppler-Untersuchung.
Die Ergebnisse überzeugen Beryl Benacerraf von der Harvard Medical School in Boston. Der Präsident des American Institute of Ultraschall in Medicine (AIUM) hält die „Simple Rules“ seiner europäischen Kollegen für ebenso zuverlässig wie eine Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT), die in einer früheren systematischen Studie der Ultraschall-Untersuchung noch überlegen war und deshalb von vielen Zentren bevorzugt wird. © rme/aerzteblatt.de

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