Medizin
Physio- und Ergotherapie bei Parkinson in Studie ohne Wirkung
Mittwoch, 20. Januar 2016
Birmingham – Eine Physio- und Ergotherapie, die Patienten mit Morbus Parkinson helfen soll, die Kontrolle über ihre Bewegungen zu erhalten, hat sich in einer randomisierten klinischen Studie in JAMA Neurology (2016; doi: 10.1001/jamaneurol.2015.4452) im Frühstadium der Erkrankung als unwirksam erwiesen.
Die Erfolgsaussichten von Physio- und Ergotherapien werden beim Morbus Parkinson derzeit positiv bewertet, obwohl klar ist, dass sie das Fortschreiten der degenerativen Erkrankung im Gehirn letztlich nicht aufhalten können. Um den Patienten jedoch die Unabhängigkeit möglichst lange zu erhalten, besteht die Tendenz, die Behandlungen frühzeitig anzubieten. Im „PD REHAB Trial“, der alle Patienten aufnahm, bei denen die Hausärzte eine Physio- und Ergotherapie für angemessen hielten, waren zwei Drittel der 762 Teilnehmer im Stadium Hoehn & Yahr I oder II, in denen noch keine Störung der aufrechten Körperhaltung (posturale Instabilität) vorliegt.
Die Patienten wurden per Los auf zwei Gruppen randomisiert. Der ersten Hälfte wurde eine auf den Patienten zugeschnittene Physio- und Ergotherapie angeboten. Sie bestand aus vier einstündigen Übungen, die über acht Wochen verteilt waren. Die Teilnehmer der anderen Gruppe sollten diese Behandlung nach 15 Monaten erhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Teilnehmer beider Gruppen dreimal von Neurologen untersucht, um den Einfluss der Therapie auf das Fortschreiten der Erkrankung zu untersuchen. Primärer Endpunkt war die NEADL-Skala (Nottingham Extended Activities of Daily Living), die die alltäglichen Fähigkeiten des Patienten abfragt. Sekundäre Endpunkte waren der Parkinson Disease Questionnaire-39 und der EuroQol-5D-Fragebogen zur Lebensqualität.
Wie Carl Clarke von der Universität Birmingham und Mitarbeiter berichten, gab es in der NEADL-Skala zu keinem Zeitpunkt signifikante Unterschiede. In den beiden anderen Fragebögen deutete sich teilweise eine positive Auswirkung an. Die Unterschiede waren aber minimal und rechtfertigen nach Ansicht von Clarke nicht die Steuergelder, die der Nationale Gesundheitsdienst (NHS) für die Therapie zur Verfügung stellen muss. Die Ausgaben sind nicht unerheblich, da der Morbus Parkinson mit einer Prävalenz von bis zu 4 Prozent im Alter von 80 Jahren eine häufige Erkrankung ist und die Physio- und Ergotherapie in Großbritannien recht beliebt ist.
Die enttäuschenden Ergebnisse der Studie dürften auch in Deutschland für Diskussionen sorgen, da die Physiotherapie hierzulande ebenfalls häufig eingesetzt wird. Ein möglicher Einwand könnte sein, dass die Behandlung zu früh begonnen wurde. Eine Subgruppen-Analyse der Daten nach den Hoehn & Yair-Stadien fand jedoch keinen Hinweis, dass die Therapie in weiter fortgeschritteneren Stadien effektiv sein könnte.
Auch den Einwand, dass vier Therapiestunden im Verlauf von acht Wochen möglicherweise nicht ausgereicht haben, um eine Wirkung zu belegen, lässt Clarke nicht gelten. Er verweist auf eine frühere Studie aus den Niederlanden, in der mit 15 halbstündigen Übungen über sechs Monate ebenfalls keine Wirkung erzielt wurde (Lancet Neurology 2010; 9: 46-54).
Der Editorialist Eric Ahlskog von der Mayo Clinic in Rochester mag sich mit den Negativergebnissen der Studie nicht abfinden. Die Intuition sagt dem Autor eines in den USA viel beachteten Patientenratgebers, dass bestimmte Symptome der Erkrankung eigentlich auf eine Physiotherapie ansprechen müssten. Er zählt dazu die typische kurze Schrittfolge der Patienten sowie den verminderten Armschwung.
Hier sollten gezielte Übungen einen Effekt erzielen, meint Ahlskog, der seine Ansicht aber nicht durch klinische Studienergebnisse belegen kann. In der Pressemitteilung der Mayo Clinic empfiehlt der Neurologe Aerobic-Übungen für die Patienten. Auch für diese Behandlung dürften eindeutige Belege aus klinischen Studien fehlen. © rme/aerzteblatt.de

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