Politik
Ostdeutschland: Städte wachsen, kleine Gemeinden schrumpfen
Dienstag, 26. Januar 2016
Berlin – Erstmals seit der Wende zogen im Jahr 2013 mehr Menschen in die ostdeutschen Bundesländer (ohne Berlin), als aus ihnen abwanderten. Das geht aus der Studie „Im Osten auf Wanderschaft“ des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung hervor, die gestern in Berlin vorgestellt wurde. „Seit 80 Jahren hat der Osten nur Einwohner verloren: insgesamt 1,8 Millionen Menschen. Jetzt gibt es eine Trendwende“, betonte der Leiter des Instituts, Reiner Klingholz. „Wenn es hingegen so weitergegangen wäre, wäre der Osten irgendwann komplett ausgeblutet.“
Die Zuzüge in die ostdeutschen Bundesländer fallen jedoch regional sehr unterschiedlich aus. So profitierten lediglich 15 Prozent der ostdeutschen Gemeinden von dieser Entwicklung. Aus 85 Prozent der Gemeinden zogen weiterhin mehr Menschen fort als zuzogen. „Das Gefälle zwischen den Wachstums- und den Schrumpfregionen wird damit immer größer“, so Klingholz.
Vor allem kleine Orte bluten aus
Der Studie zufolge wachsen insbesondere die größeren Städte wie Leipzig, Dresden, Jena, Erfurt und Potsdam, die vor allem für junge Menschen interessant sind, die einen Ausbildungs- oder Studienplatz suchen. Weil sich in den Städten der Arbeitsmarkt verbessert hat, bleiben viele von ihnen dort auch nach der Ausbildung. „Die größeren Städte sind massiv aufgewertet worden. Hier zeigen sich die Früchte des Aufbaus Ost“, meinte Klingholz. „Sie haben heute nicht nur eine schöne Fassade, sondern bieten auch gute Arbeitsplätze. Zudem ziehen sie Studenten auch aus dem Westen an, weil es sich hier billiger leben lässt.“
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„Die Menschen ziehen vor allem aus kleinen Gemeinden in hohem Maße weg: pro Jahr etwa jeder zehnte“, erklärte Institutsmitarbeiter Manuel Slupina. „Diese Menschen kommen mehrheitlich auch nicht mehr zurück.“
Mittelzentren stabilisieren sich
Wenn Familien umziehen, ziehen sie eher von den Städten aufs Land, vor allem allerdings in die Speckgürtel der Städte. Dieser Zuzug wiegt die Verluste der kleineren Gemeinden bei den übrigen Altersgruppen jedoch nicht auf. „Damit sie nicht weiter in die Abwärtsspirale aus Bevölkerungsrückgang und schwindender Infrastruktur geraten, sind neue, am Bedarf vor Ort orientierte Versorgungsformen notwendig“, betonte Klingholz.
Ältere Menschen, die fortziehen, ziehen der Studie zufolge häufig aus kleineren Orten in die Mittel- und Oberzentren ihrer Gemeinden, weil es dort bessere Versorgungsmöglichkeiten gibt. „Einige mittelgroße Städte können sich also als lokale Versorgungszentren stabilisieren, indem sie kurze Wege zu Ärzten, Apotheken, Geschäften, Restaurants oder kulturellen Einrichtungen bieten“, sagte Slupina.
„Die Städte sollten sich dabei nicht scheuen, ihr altersfreundliches Umfeld nach außen zu vermarkten.“ Ein Zuzug von Älteren bedeute auch eine verstärkte Nachfrage nach Dienstleistungen und damit neue Arbeitsplätze für jüngere Menschen, etwa für Friseure, Kulturschaffende, im Handel und in der Pflege. © fos/aerzteblatt.de

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