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Ausland

WHO prüft weltweiten „Zika-Notfall“

Donnerstag, 28. Januar 2016

Margaret Chan dpa

Genf/Rio de Janeiro – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prüft wegen der dramatischen Ausbreitung des Zika-Virus die Ausrufung eines globalen Gesundheits­notstands. Dazu sei für kommenden Montag eine Krisensitzung internationaler Virusexperten einberufen worden, teilte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan am Donnerstag in Genf mit. Der Erreger ist schon in 23 Ländern auf dem amerikanischen Kontinent aufgetaucht und auch nach Deutschland eingeschleppt worden. Hierzulande sind bislang fünf Fälle bekannt geworden, die beim aktuellen Ausbruch importiert worden sind.

Zika-Virus möglicher Auslöser einer Mikrozephalie
Chan sprach von einer „explosionsartigen“ Verbreitung des gerade für schwangere Frauen gefährlichen Zika-Virus, das im Verdacht steht, bei Babys Schädelfehlbildungen zu verursachen. Möglicherweise gebe es allein in Brasilien bereits 1,5 Millionen Zika-Fälle. In ganz Amerika könnte es ohne energische Gegenmaßnahmen zu 3 bis 4 Millionen Ansteckungen kommen, befürchtet die WHO. Dies sei Anlass zu „großer Sorge“. Hauptgrund dafür sind laut Chan Hinweise, wonach das Zika-Virus Mikrozephalie auslösen kann: Babys kommen mit zu kleinen Schädeln auf die Welt; geistige Beeinträchtigungen sind die Folge. Das Virus wird wie das Dengue-Fieber von der Moskitoart Aedes aegypti übertragen.

In Rio de Janeiro versprechen die Organisatoren des Karnevals und der Olympischen Spiele, dass mit Sonderbekämpfungsprogrammen Gefahren für Touristen verhindert werden sollen. Im Bundesstaat Rio de Janeiro hat sich die Zahl der Babys und Embryonen mit Schädelfehlbildungen auf 171 erhöht. Landesweit gibt es 4.180 Fälle, bei 12 ist eindeutig festgestellt worden, dass sich die Mütter zuvor mit Zika infiziert hatten. In Brasilien starben bereits 68 Babys durch Mikrozephalie.

„Wir brauchen eine korrekte Analyse“
Der Verdacht auf eine Verbindung zwischen dem erstmals 1947 in Uganda entdeckten Zika-Virus und der Schädigung von Ungeborenen ist erst im Herbst in Brasilien aufgekommen. Sollte er bewiesen werden, würde sich das „Risiko-Profil“ des Erregers laut WHO dramatisch ändern. Chan sagte, es müssten die besten Fachleute der Welt aufgeboten werden, um dies rasch zu klären. „Wir müssen alle Informationen miteinander teilen, wir brauchen eine korrekte Analyse.“

Im Fall der Ausrufung eines weltweiten Gesundheitsnotfalls würde die WHO für alle Staaten dringende Maßnahmen zur Vorbeugung von Ansteckungen sowie zur Eindämmung des Zika-Erregers empfehlen. Dazu können Vorsichtsmaßnahmen bei Reisen gehören. Zuletzt waren nach der Ausrufung eines Gesundheitsnotstands wegen der Ebola-Epidemie in Westafrika ab Mai 2015 besondere Vorkehrungen für Flugreisen vorgeschrieben worden. Passagiere wurden auf Symptome einer Infektion mit dem hochansteckenden Ebola-Virus untersucht.

Kein Grund zur Panik
Die WHO betonte jedoch, es bestehe kein Grund für Angst oder gar Panik. „Zika ist nicht Ebola“, sagte der zuständige WHO-Direktor und Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten, Marcos Espinal. Die Krankheit werde bekanntermaßen durch bestimmte Stechmücken verbreitet. Der Kampf gegen die Überträger sei daher entscheidend.

Das brasilianische Militär will nun mit einer Großoffensive die Stechmücken als Überträger des Virus bekämpfen. Verteidigungsminister Aldo Rebelo betonte bei der Vorstellung des Programms: „Wir müssen alle Kräfte des Staates und der Gesellschaft bündeln.“ In Brasilien soll in 356 Städten und Gemeinden sowie Tausenden Schulen über die Gefahr aufgeklärt und Moskitos und deren Eiablageplätze vernichtet werden. 160.000 Soldaten, 30.000 Mitglieder der Marine und 30.000 Militärs der Luftwaffe werden dafür eingesetzt. Präsidentin Dilma Rousseff kündigte für nächsten Dienstag ein Krisentreffen der Gesundheitsminister des südamerikanischen Staatenbundes Mercosur an. Vor dem nächste Woche beginnenden Karneval sollen auch in der Hauptveranstaltungsstätte, dem Sambadrom in Rio, die Moskitos und ihre Eiablageplätze mit Spezialmitteln bekämpft werden.

Aedes aegypti kommt in Deutschland nicht vor
Die Gesellschaft für Virologie sieht aber keine Gefahr für Deutschland. „Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass es zukünftig zu einer Übertragung von Zika-Viren über angesiedelte Moskitos in Deutschland kommen wird“, erklärte Christian Drosten. Er leitet an der Universitätsklinik in Bonn das Institut für Virologie. Die Mückenart Aedes aegypti kommt in Deutschland nicht vor.

Viele Zika-Infektionen bleiben unbemerkt. Wer erkrankt, leidet oft unter Symptomen, die einer Erkältung ähneln, und Hautausschlägen. Dies sei keineswegs lebensbedrohlich, erklärten Experten bei der Sitzung des WHO-Exekutivrats. „Wir müssen jetzt aktiv werden, um die Übertragung einzudämmen“, sagte Chan mit Blick auf die wärmeren Länder, wo Zika durch die Mücken übertragen wird. Jedoch könnte die Erkrankung in alle anderen Staaten eingeschleppt werden. Schwangere Frauen sollten bis zur Entbindung unter medizinische Beobachtung gestellt werden, wenn sie über Symptome wie Hautausschlag klagen. © dpa/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #691359
Staphylococcus rex
am Donnerstag, 28. Januar 2016, 23:53

Strategie oder Aktionismus

Die Aktionen der Politiker erscheinen mir als Zeichen eines hilflosen Aktionismus. Bei 4000 schweren Missbildungen ist ein ursächlicher Zusammenhang durchaus plausibel, zumal eine enge Verwandtschaft mit dem West-Nile-Virus besteht, welches bekanntermaßen ein neurotropes Virus ist:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zika-Virus

Andererseits ist dieses Virus nicht wirklich neu und in seiner ursprünglichen Heimat gilt es als harmlos. Ohne das teratogene Potential verharmlosen zu wollen, aber wir haben es hier mit einem Sondereffekt zu tun, wenn ein neues Virus in eine empfängliche Population einbricht und sich wie ein Buschfeuer durch diese Population frisst. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind aus meiner Sicht unwirksam und ziehen die das Problem unnötig in die Länge.

Sobald ein ausreichend hoher Anteil der Population durchinfiziert ist, brechen die Infektketten in sich zusammen und der Spuk hat durch die Herdenimmunität ein schnelles Ende. Die bisherigen Daten sprechen dafür, daß es sich bei nichtschwangeren Personen um eine vergleichsweise milde Krankheit handelt und es besteht Hoffnung auf eine anhaltende Immunität, ansonsten hätte es ja schon aus Afrika oder Südostasien Warnmeldungen geben müssen.

Aus meiner Sicht sollten Mathematiker folgende Strategie durchrechnen: Aufklärung ja, aber nicht Bekämpfung der Mücken sondern in der Zone der höchsten Zika-Aktivität sogar Verbesserung der Brutbedingungen für diese Mücken, um eine schnellstmögliche Durchimmunisierung und anschließende Herdenimmunität zu erreichen. In dieser Gefahrenzone sollten sich natürlich keine Schwangeren aufhalten, also parallel dazu massive Aufklärung und Verhütung, dazu Schwangerschaftsteste und Evakuierung der Schwangeren im ersten und zweiten Trimenon (bei Röteln und CMV ist eine Primärinfektion besonders im ersten Trimenon gefährlich).

Schwangerschaftsteste und Verhütung sind vergleichsweise preiswert, eine Evakuierung der Schwangeren aus der Gefahrenzone ist teuer, aber eine zeitlich begrenzte Angelegenheit. Das Vorgehen der WHO birgt das Risiko einer lang anhaltenden Viruszirkulation und größerer Umweltschäden beim großflächigen Einsatz von Insektiziden ohne dabei die Schwangeren wirklich zu schützen.

In Deutschland kommen die notwendigen Vektoren nicht vor. Seinen Weg um die Welt hat das Zika-Virus in Afrika begonnen, wenn es sich weiter in Richtung Osten ausbreitet, kommt es bald wieder an seinen Ursprungsort zurück. Lediglich der Süden der USA und Südeuropa sind noch neue potenzielle Ausbreitungsgebiete.
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