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Medizin

Gehirnerschütterung erhöht Suizidrisiko

Dienstag, 9. Februar 2016

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Toronto – Erwachsene haben nach einer Gehirnerschütterung ein langfristig deutlich erhöhtes Suizidrisiko, das in einer Kohortenstudie im Canadian Medical Association Journal (2016; doi: 10.1503/cmaj.150790) nach einer Verletzung am Wochenende höher war als nach einer Verletzung an Werktagen.

Eine Commotio cerebri hinterlässt keine sichtbaren Spuren im Gehirn. Die Patienten erholen sich nach dem Erwachen aus der kurzen Bewusstlosigkeit auch bald von etwaigen postkommotionellen Symptomen wie Apathie, Leistungsminderung, Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit und sie werden deshalb als gesund eingestuft. Frühere Untersuchungen, die zumeist an Soldaten durchgeführt wurden, haben jedoch gezeigt, dass die Psyche einiger Menschen sich nach der Gehirnerschütterung verändern kann, und ein erhöhtes Suizidrisiko gehört zu den möglichen Folgen.

Ein Team um Donald Redelmeier vom Sunnybrook Health Sciences Centre in Toronto hat den Zusammenhang jetzt in einer großen Gruppe von Zivilisten untersucht. Die Forscher werteten dafür die Daten des Ontario Health Insurance Plan aus, der gesetzlichen Kranken­versicherung in der bevölkerungsreichsten Provinz Kanadas. In den zwei Jahrzehnten zwischen 1992 und 2012 wurden 235.110 Erwachsene wegen einer Gehirnerschütterung behandelt.

Von 168.188 Patienten ohne eine psychiatrische Vorgeschichte nahmen sich 667 später in einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,3 Jahren das Leben. Dies entspricht einer Inzidenz von 31 Todesfällen pro 100.000 Einwohner und Jahr. Sie ist Redelmeier zufolge dreifach höher als der Landesdurchschnitt in Ontario. Bei Patienten, die zwischen Freitagnachmittag und Sonntagabend verunglückt waren, betrug die Suizid­inzidenz sogar 39 Todesfälle pro 100.000 Einwohner und Jahr, was dem Vierfachen des Landesdurchschnitts entspricht.

Eine Verletzung am Wochenende gehörte mit einem relativen Risiko (RR) von 1,27 und einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,06-1,53 zu den signifikanten Prädiktoren für einen Suizid nach einer Gehirnerschütterung. Die anderen Prädiktoren waren ein früherer Suizidversuch (RR 5,65; 3,26-9,81), Drogenkonsum (RR 3,60; 2,94-4,41), Angststörungen (RR 3,04; 2,57-3,60), männliches Geschlecht (RR 2,47; 2,08–2,94), Schizophrenie (RR 2,38; 1,68-3,37), bipolare Störungen (RR 1,96; 1,43-2,68), Depressionen (RR 1,65; 1,30-2,11), ein niedriges Einkommen (RR 1,30; 1,02-1,65) sowie eine Bildgebung nach der Gehirnerschütterung (RR 1,31; 1,09-1,65).

Bei diesen Patienten sollte deshalb auch Jahre nach einer Gehirnerschütterung besonders sorgfältig auf Zeichen einer Suizidalität geachtet werden. Da etwa die Hälfte aller Patienten in der Woche vor ihrem Freitod noch einen Hausarzt aufgesucht hatten, könnten viele Suizide verhindert werden, meint Redelmeier.

Warum Gehirnerschütterungen am Wochenende das Suizidrisiko stärker erhöhen als ähnliche Unfälle unter der Woche, ist nicht bekannt. Redelmeier vermutet, dass die Gehirnerschütterungen am Wochenende, also während der Freizeit, eine erhöhte Risikobereitschaft anzeigen, die sich dann in fataler Weise gegen den Patienten wenden. © rme/aerzteblatt.de

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