Medizin
Post-Ebola-Syndrom häufiger als erwartet
Donnerstag, 25. Februar 2016
Liverpool – Die britische Krankenschwester Pauline Cafferkey, die derzeit zum zweiten Mal nach einer überstanden geglaubten Ebola-Infektion in einer Klinik in London behandelt wird, ist nicht die einzige Überlebende, die an einem Post-Ebola-Syndrom leidet. Eine Untersuchung in Emerging Infectious Diseases (2016; doi: 10.3201/eid2204.151302) gibt die Häufigkeit mit bis zu 70 Prozent an.
Dass Patienten, die eine akute Ebola-Erkrankung überlebt haben, nicht vollständig genesen sind, hat sich bereits nach früheren Ebola-Epidemien gezeigt. Nach der Epidemie in Kikwit/Zaire im Jahr 1995 klagten Überlebende über Gelenkbeschwerden und Sehstörungen. Nach dem Ausbruch im Sudan wurden Bauchschmerzen, Seh- und Hörverluste, Impotenz, Blutungen und psychologische Symptome beschrieben.
Es handelte sich jedoch um Einzelfälle, da die Ausbrüche klein waren und nur wenige Menschen die Erkrankung überlebten. Dies war bei der letzten Ebola-Epidemie in Westafrika anders. Von den knapp 29.000 dokumentierten Patienten haben etwa 17.000 das Ebola-Fieber überlebt. Viele sind schon bald nach dem Abklingen der Infektion wieder erkrankt.
Janet Scott vom Institute of Translational Medicine der Universität Liverpool konnte 44 Überlebende einer Klinik in Freetown in Liverpool untersuchen. Die Befragungen ergaben, dass 31 Patienten (70 Prozent) Schmerzen im Bewegungsapparat haben, 21 Patienten (48 Prozent) klagten über Kopfschmerzen und 6 Patienten (14 Prozent) hatten Probleme mit den Augen. Die Beschwerden waren bereits zwei Wochen nach der Entlassung aus der Klinik aufgetreten, nachdem ein genetischer Bluttest auf den Erreger endgültig negativ ausgefallen war.
Die Ursachen für die Beschwerden sind nicht bekannt. Scott vermutet, dass die Schmerzen im Bewegungsapparat Folgen einer ausgedehnten Myositis oder Rhabdomyolyse sind, zu der es im akuten Verlauf der Erkrankung kommen kann. Die Ursache der Augenprobleme konnte Scott noch nicht klären. Frühere Untersuchungen hatten jedoch gezeigt, dass die Ebola-Viren im Augenwasser längere Zeit überleben können.
Im letzten Jahr hatten US-Forscher den Fall eines Patienten vorgestellt, der nach einer überstandenen Ebola-Infektion an einer Uveitis erkrankte. Neun Wochen nach dem ersten negativen Bluttest wurden Virusgene im Kammerwasser des Patienten nachgewiesen (NEJM 2015; 372:2423-2427). Andere Untersuchungen ergaben, dass das Ejakulat noch Monate nach dem Abklingen der Symptome infektiös sein kann (NEJM 2015; doi: 10.1056/NEJMoa1511410). Laut einer Untersuchung des französischen INSERM und des Hamburger Bernhard-Nocht Instituts, die jetzt auf der Fachtagung CROI 2016 in Boston vorgestellt wurden, sind die Viren bei 10 Prozent der Überlebenden auch nach einem Jahr noch nachweisbar. Von diesen Personen könnte deshalb durchaus ein Infektionsrisiko ausgehen.
Das Post-Ebola-Syndrom ist auch Gegenstand einer US-Untersuchung. Das National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) hat in der Prevail-III-Studie 82 Patienten ermittelt, die ein halbes Jahr nach der überstandenen akuten Erkrankung noch Beschwerden hatten. In den meisten Fällen handelte es sich um neurologische Auffälligkeiten. Am häufigsten waren Schwäche, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust, depressive Verstimmung und Muskelschmerzen.
Zwei Betroffene waren suizidal und einer litt unter Halluzinationen. Häufige neurologische Untersuchungsbefunde waren abnorme Augenbewegungen, Zittern und abnorme Reflexe, berichtet Lauren Bowen vom NINDS in Bethesda, Maryland, die Zwischenergebnisse der Studie auf dem Jahreskongress der American Academy of Neurology in Vancouver vorstellte. © rme/aerzteblatt.de

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