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Medizin

Diabetisches Makulaödem: Aflibercept in Vergleichsstudie bei schlechtem Visus effektiver als Bevacizumab

Montag, 29. Februar 2016

Diabetische-Retinopathie-nach-fokaler-Laserbehandlung / National Eye Institute / NIH

Columbia – Die drei VEGF-Inhibitoren Aflibercept, Bevacizumab und Ranibizumab haben in einer Vergleichsstudie des US-National Eye Institute die Sehstärke von Patienten mit diabetischem Makulaödem auch nach zwei Jahren verbessert. Bei Patienten mit schlechtem Ausgangsvisus erzielte der Publikation in Ophthalmology (2016; doi: 10.1016/j.ophtha.2016.02.022) zufolge Aflibercept die beste Wirkung.

Monatliche Injektionen von Medikamenten, die den vaskulären endothelialen Wachs­tumsfaktor (VEGF) blockieren, sind in den letzten Jahren zur Standardtherapie gefäß­proliferativer Erkrankungen der Retina geworden, zu denen auch das diabetische Makulaödem gehört. Die Laserkoagulation, die die neugebildeten Gefäße (und mit ihnen immer auch einen kleinen Teil der Retina) zerstört, wird heute nur noch angewendet, wenn die VEGF-Inhibitoren keine Wirkung erzielen.

Als der erste VEGF-Inhibitor Ranibizumab eingeführt wurde, entdeckten viele Augenärzte, dass die Therapie zu einem Bruchteil des Preises auch mit dem Krebsmedikament Bevacizumab durchgeführt werden kann, das den gleichen Wirkungsmechanismus hat. Der Hersteller von Ranibizumab und Bevacizumab hat stets versichert, dass Ranibizumab, das speziell für die Pathologie am Auge hergestellt worden sei, eine bessere Wirkung habe. Durch klinische Studien belegt war dies allerdings nicht.

Das amerikanische Diabetic Retinopathy Clinical Research Network entschied sich deshalb für eine Vergleichsstudie, die vom US-National Eye Institute finanziert wurde und deren Design deshalb unabhängig war von etwaigen Marketing-Interessen der Hersteller. Die Initiatoren beschlossen ein drittes mittlerweile eingeführtes Mittel, den VEGF-Inhibitor Aflibercept, in den Vergleich einzubeziehen.

An der Studie nahmen an 89 Prüfzentren in den USA insgesamt 660 Patienten mit diabetischem Makulaödem teil. Sie waren zu Beginn der Studie im Mittel 61 Jahre alt und litten seit 17 Jahren an Diabetes. Alle Teilnehmer hatten eine Sehschärfe von 20/32 oder schlechter. Eine Sehschärfe von 20/32 bedeutet, dass die Patienten auf 20 Fuß Entfernung Dinge scharf sehen, die ein Gesunder aus 32 Fuß Entfernung gleich gut erkennt.

Zu Beginn der Studie hatte die Hälfte der Teilnehmer einen Visus von 20/32 bis 20/40. Bei der anderen Hälfte war die Sehstärke auf 20/50 oder schlechter abgefallen. Eine korrigierte Sehschärfe von 20/40 oder besser auf mindestens einem Auge ist in vielen Ländern Voraussetzung zur Erlangung eines Führerscheins. In Deutschland wird eine dezimale Sehstärke von 0,7 oder umgerechnet etwa 20/30 verlangt.

Die Teilnehmer wurden auf drei Gruppen randomisiert, in denen die monatlichen Injektionen in den Augapfel mit Aflibercept (Dosis 2,0 mg Bevacizumab (Dosis 1,25 mg) oder Ranibizumab (Dosis 0,3 mg statt wie in Deutschland empfohlen 0,5 mg) durchgeführt wurden. Die Dosierung erfolge nach individuellem Bedarf (Pro re nata), konnte also auch unterschritten werden.

Die Teilnehmer wurden im ersten Jahr monatlich und im zweiten Jahr alle 4 bis 16 Wochen untersucht. In den ersten Monaten erhielten alle Patienten monatliche Injektionen. Danach wurden die monatlichen Behandlungen nur so lange fortgesetzt, bis das Makulaödem abgeklungen oder sich der Zustand stabilisiert hatte. Bei einer späteren Verschlechterung konnten die Injektionen wieder aufgenommen werden. Wenn nach sechs Monaten keine günstige Wirkung erkennbar war, wurde eine Lasertherapie durchgeführt.

Die Ergebnisse nach dem ersten Behandlungsjahr, die im März letzten Jahres veröffent­licht wurden, deuteten bereits an, dass die besten Ergebnisse mit Aflibercept (in den applizierten Dosierungen) erzielt werden. Der Vorteil war vor allem bei Patienten mit fortgeschrittenem Visus-Verlust vor Beginn der Studie erkennbar. Diese Entwicklung bestätigte sich auch nach zwei Jahren, wie die jetzt von John Wells vom Palmetto Retina Center in Columbia/South Carolina und Mitarbeiter vorgestellten Ergebnisse zeigen.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass alle drei Therapie-Optionen effektiv sind. Der Visus verbesserte sich im Durchschnitt von 20/40 auf 20/25, was eine für die meisten Patienten auch im Alltag relevante Verbesserung anzeigen dürfte – auch wenn dies nicht Gegenstand der Publikation war.

Auch die Anzahl der notwendigen Injektionen war nahezu identisch. Im zweiten Behandlungsjahr hatten die Patienten im Aflibercept-Arm 5 Injektionen erhalten. Im Bevacizumab-Arm und im Ranibizumab-Arm waren es jeweils 6 Injektionen. Die Gesamtzahl der Injektionen über die beiden Jahre betrug 15, 16 und 15.

Am Ende sahen die Patienten auf der Sehtafel 12,8, 10,0 und 12,3 Buchstaben (oder 3,5, 2,5 und 3,5 Zeilen) mehr als zu Studienbeginn. Aflibercept und Ranibizumab waren gleichwertig (im ersten Jahr hatte Aflibercept noch etwas besser abgeschnitten). Im Endpunkt „Notwendigkeit einer Lasertherapie“ war Aflibercept leicht im Vorteil. Die Lasertherapie wurde nur bei 41 Prozent der Patienten durchgeführt, im Ranibizumab-Arm waren es 52 Prozent und im Bevacizumab-Arm 64 Prozent der Teilnehmer. Statistische Signifikanz (p-Wert unter 0,05) erreichte nur der Vergleich von Aflibercept zu Bevacizumab.

Die Forscher haben erneut die Patienten nach dem Ausgangsvisus in zwei Gruppen eingeteilt. Nach dem ersten Jahr hatte Aflibercept bei Patienten mit einer schlechteren Sehleistung (Visus 20/50 bis 20/320) bessere Ergebnisse erzielt als die beiden Konkurrenten. Diese Vorteil war auch am Endes des zweiten Behandlungsjahres vorhanden: Nach Aflibercept-Injektionen hatten die Patienten 18,3 Buchstaben gewonnen, nach Ranibizumab-Injektionen waren es 16,1 Buchstaben und nach den Bevacizumab-Injektionen 13,3 Buchstaben. Die Unterschiede zwischen Aflibercept und Bevazizumab war signifikant. Die Unterschiede zwischen Aflibercept und Ranibizumab sowie zwischen Ranibizumab und Bevacizumab waren nicht signifikant.

Bei Patienten mit geringeren Sehstörungen (20/32 bis 20/40) waren die Unterschiede nicht signifikant. Mit einem Gewinn von 8,6 Buchstaben schnitt Ranibizumab etwas besser ab als Aflibercept (plus 7,8 Buchstaben) und Bevacizumab (plus 6,8 Buchstaben). Die Unterschiede zwischen den drei Wirkstoffen waren nicht signifikant.

Die Verträglichkeit am Auge war bei allen drei Mitteln gleich. Hinsichtlich der systemischen Nebenwirkungen gab es Unterschiede. Im Ranibizumab-Arm kam es bei 12 Prozent der Patienten zu kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder einem Tod aus unklarer Ursache. Nach den Aflibercept-Injektionen traten diese Ereignisse nur bei 5 Prozent auf, unter Bevacizumab waren es 8 Prozent. Der Unterschied zwischen Aflibercept und Ranibizumab war signifikant.

Ähnliche Unterschiede zu den Herz-Kreislauf-Ereignissen sind laut Wells jedoch in allen anderen Studien nicht gesehen worden. Trotz der Signifikanz könnte es sich um einen Zufall handeln, meint Wells. Dieser Punkt dürfte jedoch Nachfragen der Zulassungs­behörden auslösen. Auch der Einwand des Herstellers von Ranibizumab, die Dosis von Ranibizumab sei in der Studie im Vergleich zur deutschen Empfehlung zu niedrig gewählt worden, könnte in diesem Zusammenhang relevant sein. Beim Einsatz von Bevacizumab (in höherer Dosierung und systemisch verabreicht) gehören thromboembolische Ereignisse zu den bekannten Komplikationen. © rme/aerzteblatt.de

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