Medizin
Nephroblastome werden in Deutschland früher diagnostiziert als in Großbritannien
Mittwoch, 9. März 2016
London – Die Diagnose eines Nephroblastoms wird bei deutschen Kindern häufiger in einem frühen, prognostisch günstigen Stadium gestellt, als in Großbritannien. Forscher des University College London und des Universitätsklinikums Homburg berichten unter Leitautorin Kathy Pritchard-Jones in Archives of Disease in Childhood (doi:10.1136/archdischild-2015-309212).
Das Nephroblastom, auch Wilms-Tumor genannt, ist das häufigste primäre Nierenmalignom des Kindes. Die Patienten erkranken häufig schon im Vorschulalter, da der Tumor aus entdifferenzierten embryonalen Zellen hervorgeht. Die Symptomatik ist in der Regel unspezifisch. Betroffene präsentieren sich mit Bauchschmerzen und einem vorgewölbtem Abdomen.
Nephroblastome können sehr groß werden und den größten Teil des Abdominalraums ausfülllen. Deshalb können sie oft bereits durch die Bauchdecke ertastet werden. Wie bei nahezu jeder malignen Tumorerkrankung verbessert sich die Prognose durch eine frühe Diagnose. In der Regel ist die Prognose insgesamt günstig, mit einer Überlebensrate aller Patienten von rund 90 Prozent.
Die Forscher verglichen die klinischen Daten von 616 britischen und 951 deutschen Kindern, bei welchen zwischen 2002 und 2011 ein Nephroblastom diagnostiziert wurde.
In Großbritannien waren die initial diagnostizierten Tumoren in der Regel um 50 Prozent größer als in Deutschland (570 Milliliter versus 380 Milliliter). Die frühen Tumorstadien I und II waren bei den deutschen Kindern mit 73 Prozent häufiger vertreten als in Großbritannien, wo 58 Prozent aller Patienten in den frühen Stadien diagnostiziert wurden. Die ereignisfreie Überlebenszeit nach fünf Jahren war in Deutschland etwas günstiger als im Vereinigten Königreich (87,6 Prozent versus 84,5 Prozent). Dies war hauptsächlich durch das seltenere Auftreten von metastasierten Spätstadien bedingt.
Die Forscher vermuten, dass die frühere Diagnose in Deutschland möglicherweise durch die Struktur des Gesundheitssystems bedingt ist. In Deutschland sollen bis zum fünften Lebensjahr etwa neun bis zehn Routineuntersuchungen erfolgen, während regelmäßige Untersuchungen in Großbritannien nach der sechsten Lebenswoche nicht sehr üblich sind.
Zudem werden Kinder hierzulande oft als erstes von niedergelassenen Pädiatern gesehen, während in Großbritannien Patienten aller Altersstufen zuerst beim Allgemeinmediziner vorstellig werden. Die britischen Ärzte sehen nach Angaben der Wissenschaftler nur etwa alle zwölf Jahre ein Kind mit einer Tumorerkrankung. Kritische Alarmsymptome könnten deshalb übersehen werden, meinen die Forscher. © hil/aerzteblatt.de

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