Medizin
Mutation macht HDL-Cholesterin zum Herzinfarktrisiko
Freitag, 11. März 2016
Philadelphia – Ein erhöhter Wert des „guten“ HDL-Cholesterins ist nicht immer ein Garant für gesunde Blutgefäße. US-Forscher beschreiben in Science (2016; 351: 1166-1171) eine Mutation, die die HDL-Cholesterinwerte ansteigen lässt, gleichzeitig aber mit einer verstärkten Atherosklerose assoziiert ist.
Seit Jahrzehnten steht in Lehrbüchern, dass ein hohes HDL-Cholesterin vor einem Herzinfarkt schützt. Dies wird mit der Rolle des HDL im Lipidstoffwechsel erklärt. HDL ist ein Transportprotein, das Cholesterin von den Blutgefäßen zur Leber schafft. Dies verhindert, dass sich das Cholesterin in den Wänden der Blutgefäße ablagert und dort zum Ausgangspunkt von atherosklerotischen Plaques wird.
Nach dieser Hypothese sollten Medikamente, die das HDL-Cholesterin erhöhen, einer Atherosklerose entgegen wirken. Doch weder Niacin noch CEPT-Inhibitoren, die beide das HDL-Cholesterin ansteigen lassen, konnten in klinischen Studien die Rate von Herzinfarkten oder anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.
Der Zweifel an der positiven Auswirkung eines hohen HDL-Cholesterin wurde in den letzten Jahren auch durch tierexperimentelle Studien verstärkt. Sie zeigten, dass Mäuse, die infolge eines fehlenden Gens extrem hohe HDL-Cholesterinwerte haben, paradoxerweise besonders anfällig sind für eine Atherosklerose. Die hohen HDL-Werte werden bei den Mäusen durch die Ausschaltung des Gens SCARB1 erzeugt. Das Gen kodiert das Protein SR-BI (für „Scavenger receptor class BI“). Es ist der Rezeptor, der Cholesterin aus den HDL-Transportern in die Leberzellen schafft. Wenn SCARB1 ausfällt, steigt das HDL-Cholesterin im Blut an.
Ein Team um Daniel Nader von der Perelman School of Medicine in Philadelphia hat jetzt gezielt nach Menschen mit einem ähnlichen Gendefekt gesucht. Dazu wurden bei 328 Personen mit ungewöhnlich hohen HDL-Werten gezielt Gene für den Lipidstoffwechsel sequenziert. Die Forscher fanden eine 67-jährige Frau, die in beiden SCARB1-Genen eine Mutation aufwies, die die Bildung von SR-BI verhindert.
Die Frau hatte deutlich erhöhte HDL-Werte (152 mg/dl, normal für Frauen sind 45 bis 65 mg/dl). Bei einer Reihe weiterer Personen war nur eines der beiden Gene ausgefallen. Auch diese Personen hatten einen erhöhten HDL-Wert. In einer weiteren größeren Kohorte war die Heterozygotie auf diese Mutation mit einem um 79 Prozent erhöhten Risiko auf eine koronare Herzkrankheit assoziiert.
Die Studie deutet darauf hin, dass nicht der HDL-Wert an sich, sondern der Abfluss in die Leber über den Rezeptor SR-BI vor einer Atherosklerose schützt. Eine Konsequenz könnte die Suche nach Wirkstoffen sein, die die Aktivität von SR-BI steigert und dadurch das schädliche Cholesterin aus den Blutgefäßen entfernt. © rme/aerzteblatt.de

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