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Medizin

US-Behörde schränkt Verordnung von Opioiden in der Schmerztherapie ein

Donnerstag, 17. März 2016

Atlanta – Eine Epidemie von Drogentoten, die an einer Überdosis von ärztlich rezeptierten Opioiden gestorben sind, hat die US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zu einer Leitlinie veranlasst, die die Verordnung der Schmerzmittel durch Allgemein- und Zahnärzte an Patienten einschränken soll, die nicht an fortgeschrittenem Krebs oder anderen unheilbaren Krankheiten leiden.

Die USA zählte im Jahr 2014 insgesamt 28.647 Todesfälle durch Opiate. Die meisten Opfer starben nicht an Heroin oder anderen illegalen Opiaten, sondern an einer Überdosis OxyContin, Percocet oder Vicodin. Ärzte hatten diese Medikamente in gutem Glauben verordnet, dass ihre Patienten sie auch einnehmen, weil sie sie benötigen. Diese Vorstellung hat sich als naiv erwiesen. Viele Patienten ertragen lieber ihre Schmerzen und verkaufen die Mittel auf dem Schwarzmarkt, wenn sie sie nicht selbst zum Zwecke eines Drogenrausches verwenden.

Im Focus stehen Zahnärzte, die ihren Patienten derzeit nach einer Zahnextraktion regelmäßig Opiate verordnen (obwohl antiphlogistische Wirkstoffe von Pharmakologen als sinnvoller eingestuft werden). Nach einer aktuellen Untersuchung von Brian Bateman von der Harvard Medical School in Boston erhalten 61 Prozent der Medicaid-Patienten im Alter von 14 bis 17 Jahren und 52 Prozent der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren starke Opioide verschrieben (2016; doi: 10.1001/jama.2015.19058).

Viele dürften dies als eine Einladung zum Dealen verstanden haben. Andere könnten sich am Medikamentenschrank ihrer Eltern bedient haben. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 259 Millionen Opioid-Rezepte ausgestellt, genug, um jeden Erwachsenen in den USA mit einer Pillendosis zu versorgen, wie es in der Leitlinie der Centers for Disease Control and Prevention heißt, die jetzt die Verordnungsflut eindämmen soll.

Die US-Behörde will die Opiatrezepte stärker auf Krebspatienten und die palliative Medizin beschränken, auf Patienten mithin, bei denen eine Abhängigkeit am ehesten toleriert werden kann. Alle anderen Patienten sollen zunächst andere Schmerzmittel erhalten wie nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAP), die die Schmerzen etwa nach Zahnextraktion nach Ansicht vieler Experten ebenso gut wenn nicht besser lindern. Wenn die Hausärzte Opioide verordnen, dann sollen sie eine möglichst niedrige Dosis wählen und die Zahl der abgegebenen Tabletten beschränken. Eine Behandlung über maximal drei Tage sollte nach Ansicht der Leitlinienautoren in der Regel ausreichen, eine Behandlung über mehr als sieben Tage sei nur selten notwendig.

Wenn Hausärzte Patienten mit chronischen Schmerzen Opioide verschreiben, sollten sie Nutzen und Risiken regelmäßig überprüfen, fordert die Leitlinie. Vor der ersten Verord­nung sollten sie einen Urintest auf Drogen durchführen und einen Beikonsum im Verlauf der Therapie mindestens einmal jährlich ausschließen. US-Ärzte können sich auch im Prescription Drug Monitoring Program (PDMP) der Centers for Disease Control and Prevention informieren, ob dem Patienten in der Vorgeschichte bereits einmal starke Opiate verschrieben wurden (oder er sogar bei mehreren Ärzten gleichzeitig um Rezepte nachsucht). Bei einer steigenden Dosis sollten den Patienten für den Notfall das Gegenmittel Naloxon verordnet werden. Eine gleichzeitige Gabe von Opioiden und Benzodiazepinen sollte vermieden werden.

Die CDC-Leitlinie ist jedoch nicht bindend. Zahnärzte dürfen weiter Opioide an ihre jugendlichen Patienten abgeben. Beobachter rechnen jedoch damit, dass die Leitlinie die Grundstimmung ändern wird. Laut einem Bericht in der New York Times waren ursprünglich strengere Regeln vorgesehen. Die Behörde scheint hier dem Druck der Arzneimittelhersteller nachgegeben zu haben, die derzeit pro Jahr etwa 2 Milliarden US-Dollar mit Opioiden umsetzen. © rme/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #79783
Practicus
am Sonntag, 20. März 2016, 22:38

Nicht ganz so einfach...

... denn die nicht mehr verordneten Opioide werden für Süchtige umgehend durch Heroin erstzt, das die mexikanischen Kartelle tonnenweise in die USA schaffen.
Man könnte fast glauben, die Kartelle hätten an den neuen Regeln mitgeschrieben - verdienen sie doch am meisten daran!
Todesfälle durch orale Überdosierung pharmazeutischer Opiate sind eher sehr selten - der "User" muss die Pillen schon entretardieren und/oder injizieren. Am tölichsten sind übrigens Fentanyl-Pflaster, die zerschnitten und zerkaut oder ausgekocht und injiziert werden.
Wie heisst es im britischen "Blueprint for Regulation"? - der Krieg gegen die Drogen ist verloren, schafft endlich Regulierungsmodelle, die Drogenabhängige vor den Risiken des Schwarzmarktes schützen und sie entkriminalisieren können!
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