Politik
Pflegeberufsgesetz: Ton zwischen Pflege und Ärzteschaft wird rauer
Dienstag, 5. April 2016
Berlin – Im Streit um das Pflegeberufsgesetz wird der Ton rauer. „Der Deutsche Pflegerat will sein Machtpotenzial steigern. Das kann aber kein Grund dafür sein, die Ausbildung zur Kinderkrankenpflege abzuschaffen“, meinte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Karl-Josef Eßer, heute vor Journalisten in Berlin. „Die Kinderkrankenpflege wird auf dem Altar von Machtstreben geopfert. Und die Politiker lassen sich dabei vor den Karren spannen.“
Mit dem kritisierten Pflegeberufsgesetz wollen Union und SPD die heutige Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege zu einer generalistischen Pflegeausbildung zusammenführen. Unterstützt werden sie dabei unter anderem vom Deutschen Pflegerat (DPR). Kritik kommt hingegen von den Betreibern privater Pflegeeinrichtungen, aber auch von Kinderärzten und Geriatern. DPR-Präsident Andreas Westerfellhaus hatte es zuletzt als „befremdlich“ bezeichnet, „dass sich die Arbeitgeber und auch die Ärzteschaft in die Diskussion um das Pflegeberufsgesetz einmischen“. Dabei beruft sich der DPR darauf, die Meinung der Pflegekräfte in Deutschland zu vertreten.
Streit um die Deutungshoheit
Dieser Ansicht widersprach heute die Kinderkrankenschwester und Lehrerin für Pflegeberufe in Marburg, Monika Otte. Otte hatte im Dezember eine Online-Petition zur Erhaltung der Ausbildung zur Kinderkrankenpflege gestartet, die bis heute mehr als 150.000 Menschen unterzeichnet haben. Am kommen Montag wird sich deshalb der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Thema befassen.
„Der Deutsche Pflegerat vertritt nur zehn Prozent der Pflegenden“, sagte Otte und präsentierte die Ergebnisse einer eigenen Umfrage unter Kinderkrankenpflegerinnen und –pflegern. Demnach bezeichneten etwa 60 Prozent der knapp 4.000 Kinderkrankenpfleger, die sich an der Umfrage beteiligte haben, die „Möglichkeiten des Pflegeberufsgesetzes bezüglich der generalisierten Grundausbildung“ als „ungenügend“.
„Generalisierung würde mit großen Qualitätseinbußen einhergehen“
Otte betonte, dass sie bestimmte Regelungen des Pflegeberufsgesetzes befürworte, zum Beispiel die geplante Akademisierung der Pflege, die Aufwertung der Altenpflege und die Finanzierung der Ausbildung. „Aber ich bin dagegen, dass die drei Ausbildungen in einen Topf geschmissen werden“, sagte sie. „Denn das ginge mit so großen Qualitätseinbußen einher, dass man nicht mehr das notwendige umfangreiche Fachwissen vermitteln könnte.“
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Heute beinhalte die Ausbildung zum Beispiel Informationen über die Pflege in so verschiedenen Bereichen wie der Neonatologie, der Kinderonkologie und der Neuropädiatrie. „In einer generalisierten Ausbildung könnten die entsprechenden Informationen gar nicht mehr vermittelt werden“, meinte Otte. Dies müsse stattdessen künftig im Rahmen einer Weiterbildung in den Kliniken geschehen. Dazu sei aber mit Gesetzentwurf gar nichts vorgesehen.
„Die Weiterbildung müssen die Kinderkliniken bezahlen“
„Die Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger müssten in den Kliniken nachqualifiziert werden“, meinte auch der Geschäftsführer der Gesellschaft für Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland, Jochen Scheel. „Das würde die Kliniken unseren Berechnungen zufolge pro Jahr 120 Millionen Euro kosten. Finanzieren müssten sie das aus ihrem Budget.“
„Wenn die Weiterbildung von generalisierten Pflegekräften die Kinderkliniken künftig noch Geld kostet, wird sich mancher Krankenhausträger überlegen, ob er seine Kinderklinik überhaupt noch behalten will“, ergänzte Eßer.
„Die Ausbildung wird mit Sicherheit schlechter“, so Eßer weiter. „Heute haben wir 128.000 Auszubildende in der Kranken- und Altenpflege. Die müssen alle einen Teil ihrer Ausbildung in Kinderkliniken verbringen. In der Kinderkrankenpflege haben wir aber nur 6.000 Ausbildungsplätze.“
„Kritik der Kinderkrankenpflege wird verschwiegen“
Union und SPD sowie der Deutsche Pflegerat betonen, dass es bereits Erkenntnisse aus Modellprojekten über die generalistische Pflegeausbildung gebe. Die Erfahrungen aus den Projekten seien gut gewesen. Scheel kritisierte, dass nur in drei der acht bislang durchgeführten Modellprojekte die Kinderkrankenpflege teilgenommen habe, mit „ganzen 18 Auszubildenden“. In den Modellprojekten habe es tatsächlich keine Kritik gegeben – außer aus dem Bereich der Kinderkrankenpflege, so Scheel. Diese Probleme würden aber verschwiegen.
Anfang März haben das Bundesgesundheits- und das Bundesfamilienministerium Eckpunkte für eine Ausbildungsverordnung zum Pflegeberufsgesetz veröffentlicht. Darin wurde konkretisiert, wie die die dreijährige Ausbildung gegliedert sein soll. Von den insgesamt 2.500 Stunden für die praktische Ausbildung sollen die Auszubildenden demnach jeweils 400 Stunden in den Bereichen „Stationäre Akutpflege“, „Stationäre Langzeitpflege“ und „Ambulante Akut-/Langzeitpflege“ verbringen sowie je 120 Stunden in den Bereichen „Pädiatrische Versorgung“ und „Psychiatrische Versorgung“.
Regierung will keine Änderungen am Pflegeberufsgesetz mehr vornehmen
Für Otte ist das nicht ausreichend. Sie forderte, dass die Auszubildenden zwei Drittel ihrer praktischen Ausbildung in kinder- und jugendmedizinischen Einrichtungen verbringen müssten. Zudem müsse die Hälfte der vorgesehenen 2.100 Stunden für die theoretische Ausbildung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin vorgesehen werden.
Trotz aller Kritik wollen Union und SPD keine Änderungen am Pflegeberufsgesetz mehr vornehmen. Der Entwurf des Pflegeberufsgesetzes werde noch in diesem Jahr verabschiedet werden, heißt es in den Eckpunkten. Der erste Ausbildungsjahrgang könne ab 2018 starten. © fos/aerzteblatt.de

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