Medizin
Feuer oder Eis: Kryo- und Radiofrequenzablation bei Vorhofflimmern gleichwertig
Mittwoch, 6. April 2016
Hamburg - Die Katheterablation, die durch oberflächliche Verödung des Gewebes an der Einmündung der Pulmonalvenen in den linken Vorhof ein Vorhofflimmern oft dauerhaft beseitigen kann, wurde ursprünglich mittels hochfrequenter Radiowellen, also Hitze durchgeführt. Gleich gute Ergebnisse erzielt ein Kryoballon-Katheter, der das Gewebe kurzzeitig auf Minustemperaturen abkühlt. Die Ergebnisse einer Vergleichsstudie wurden jetzt auf der Jahrestagung des American College of Cardiology in Chicago vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1602014) publiziert.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass spontane elektrische Impulse aus dem Bereich der vier Lungenvenen ein häufiger Auslöser von Vorhofflimmern sind. Die Impulse selbst lassen sich nicht beseitigen, ihre Weiterleitung in den linken Vorhof kann jedoch mit einer Radiofrequenzablation unterbunden werden.
Dabei wird von der Leiste aus ein Katheter in den rechten Vorhof und dann durch das Vorhofseptum hindurch in den linken Vorhof vorgeschoben. Dort müssen die Ärzte den Einmündungsort der Lungenvenen aufsuchen. Üblicherweise wird dann die Spitze des Katheters gegen die Oberfläche des Herzvorhofs gedrückt und mittels Radiofrequenzablation eine Verödung vorgenommen.
Der interventionelle Kardiologe wiederholt die Behandlung, bis er Punkt für Punkt eine kreisförmige „Firewall“ gesetzt hat, die die Lungenvene gegen den Herzvorhof isoliert und eine Weiterleitung der Signale verhindert. Die Behandlung wird heute für Patienten empfohlen, bei denen das Vorhofflimmern nicht dauerhaft durch Medikamente beseitigt werden kann.
Die Behandlung ist technisch anspruchsvoll. Viele Ärzte benötigen eine gewisse Lernkurve. Wesentlich einfacher soll die Behandlung mit einem Katheter sein, der seit einigen Jahren auch an deutschen Zentren im Einsatz ist. Dabei befindet sich an der Spitze des Katheters ein Ballon, der kurzzeitig am Eintrittsort der Lungenvenen entfaltet wird und die Öffnung der Lungenvenen verschließt.
Danach wird der Katheter durch Einleiten eines Kühlmittels kurz auf Minusgrade abgekühlt. Dies soll eine schonendere Ablation ermöglichen und beispielsweise die Bildung von Blutgerinnseln verhindern. Der wichtigste Vorteil ist jedoch die einfachere Bedienung. Denn die Entfaltung des Ballons, dessen korrekte Lage durch Einleiten von Kontrastmittel kontrolliert wird, ist weniger mühsam als die Punkt-für-Punkt-Ablation mit dem Radiofrequenzkatheter.
Den Beweis hierfür sollte die vom Hersteller gesponserte „Fire and Ice“-Studie bringen, an der zwischen Januar 2012 und Januar 2015 an 16 Zentren in acht Ländern insgesamt 762 Patienten mit refraktärem Vorhofflimmern teilnahmen: Bei 384 Patienten wurde eine konventionelle Radiofrequenzablation durchgeführt, bei den anderen 378 Patienten verwendeten die Ärzte das „Arctic Front Cryoablation System“ des Herstellers Medtronic. Primärer Endpunkt war ein klinisches Versagen der Behandlung, definiert als erneutes Auftreten von Vorhofflimmern/-flattern oder anderen atrialen Tachykardien beziehungsweise die Einnahme von Antiarrhythmika oder eine erneute Ablation.
Wie das Team um Karl-Heinz Kuck von der Asklepios Klinik in St. Georg jetzt berichtet, trat der primäre Endpunkt in den ersten anderthalb Jahren nach der Kryoablation bei 138 Patienten und nach der Radiofrequenzablation bei 131 Patienten auf. Dies ergibt eine 1-Jahres-Ereignisrate von 31,9 beziehungsweise 35,0 Prozent. Die Kryobehandlung war demnach tendenziell besser, aber die Hazard Ratio von 0,91 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,71 bis 1,17 nicht signifikant. Das vordefinierte Kriterium der Nichtunterlegenheit wurde erfüllt.
Auch im primären Sicherheitsendpunkt, der Kombination aus Tod, zerebrovaskulären Ereignissen (sprich Schlaganfall) oder anderen behandlungsbedingten Komplikationen, gab es nur geringe Unterschiede. Der Sicherheitsendpunkt trat nach der Kryoablation bei 40 Patienten auf, nach der Radiofrequenzablation waren 51 Patienten betroffen. Die 1-Jahres-Ereignisraten betrugen 10,2 und 12,8 Prozent, die Hazard Ratio 0,78 (0,52-1,18).
Beide Verfahren sind demnach gleichwertig. Es gibt jedoch Unterschiede. So konnte die Kryoablation schneller abgeschlossen werden. Die Verweilzeit des Katheters im linken Ventrikel war mit 92 versus 109 Minuten kürzer. Die Durchleuchtung, die einen korrekten Sitz des Ballons sicherstellen soll, war jedoch mit 22 Minuten nach der Kryoablation gegenüber 17 Minuten nach der Radiofrequenzablation länger.
Auch hinsichtlich der Komplikationen gab es Unterschiede. Bei der Radiofrequenzablation kommt es häufiger zu Komplikationen an der Leiste. Kuck führt dies darauf zurück, dass neben dem Ablationskatheter ein zweiter Katheter zum Mapping zum Einsatz kommt, der zur Lokalisierung der Mündung der Lungenvenen benötigt wird. Nach der Kryoablation kann es zu einer Parese des rechtsseitigen Nervus phrenicus kommen. Dieser Nerv verläuft in der Nähe der rechten oberen Pulmonalvene und der Kältereiz kann hier die Weiterleitung der Nervenleitung „einfrieren“. Diese Komplikation war bei 10 Patienten bei Entlassung aus der Klinik nachweisbar, neun erholten sich innerhalb von 12 Monaten. © rme/aerzteblatt.de

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